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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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uniformierter Mann öffnete die hintere Tür des Lieferwagens und befahl ihm, auszusteigen. Zwei Männer richteten ihre Maschinengewehre auf ihn. Sie führten ihn über einen mit Steinplatten belegten und von Rhododendron gesäumten Weg zu einem Gebäude, in das sie ihn hineinschoben. Wortlos wurde er in ein Zimmer mit kahlen Wänden gesperrt. Hier gab es lediglich einen Stuhl und einen Holztisch, auf dem ein Glas und eine Karaffe mit frischem Wasser standen. Raúl trank alles aus.
    Seine Kerkermeister ließen ihn noch fast eine Stunde warten. Genug Zeit, um nachzudenken.
    Besonders auffällig an der ganzen Geschichte war, dass man ihm auf seinem Weg hierher nicht die Augen verbunden hatte. Das konnte Verschiedenes bedeuten. Zunächst, dass man ihn nicht lebend gehen lassen würde. Ferner, dass seine Entführer nichts von ihm und seiner Vergangenheit wussten und ihn womöglich rein zufällig ausgewählt hatten. Denn sie rechneten offenbar nicht im Mindesten mit der Möglichkeit eines Fluchtversuchs.
    Oder damit, dass ihm dieser gelingen konnte.
    Je länger er über alles nachdachte, desto mehr gelangte Raúl zu der Überzeugung, dass seine Entführung nichts mit ihm persönlich zu tun hatte. Etwas anderes steckte dahinter.
    Aber was?
    Wohin hatte man ihn verfrachtet?
    Das Stockwerk, in dem die Kriminalpolizei untergebracht ist, gleicht einem Großraumbüro: Niedrige Trennwände, die eher die Dicke von Paravents als von Mauern haben, grenzen die einzelnen Büros voneinander ab. Alle Gespräche vermischen sich zu einem lauten Stimmengewirr, das Ann Kopfschmerzen verursacht, auch wenn sie sich noch so sehr bemüht, die Geräuschkulisse auszublenden. Am Arbeitsplatz geht man wohl davon aus, dass ausnahmslos jeder extravertiert ist, denkt sie grimmig. Nur die Sergeants und der Lieutenant haben ein Recht auf Privatsphäre und genießen den unerhörten Luxus einer Tür, die sie allerdings auch nur selten schließen. Die Wände ihrer Büros sind aus Glas und mit Rollos versehen, die, wie alle Welt weiß, nur in außergewöhnlichen Situationen heruntergelassen werden.
    An diesem Morgen hat Lieutenant Woodruff die Rollos heruntergelassen und die Tür geschlossen, nachdem Sergeant Mulligan, einen aschfahlen Millar quasi gewaltsam hinter sich herschleifend, wütend in das Büro seines Chefs gestürmt ist. Lautes Gebrüll ist zu hören und lässt die Heftigkeit der Auseinandersetzung erahnen. Ausnahmslos alle Detectives spitzen neugierig die Ohren. Es scheint um eine Analyse zu gehen, die Millar ohne Mulligans Genehmigung im Labor in Auftrag gegeben hat. Millar verteidigt sich. Woodruffs Stimme ist nicht zu hören. Er scheint der Einzige zu sein, der Ruhe bewahrt. Ann fragt sich, um was es wohl geht.
    Unvermittelt wird die Tür aufgerissen, und der Sergeant kommt heraus.
    »Lawrence!«
    Hastig erhebt sich Ann und folgt ihm.
    In Mulligans Büro zögert Ann einen Moment, ehe sie sich einfach setzt. Ihr Vorgesetzter hat schon Platz genommen, ohne ihr einen Stuhl anzubieten. Schweigend mustert er sie. Ann bemüht sich, seinem Blick standzuhalten.
    »Sind Sie auf dem Laufenden?«, erkundigt er sich schließlich.
    »In welcher Angelegenheit?«
    Er fixiert sie mit seinem Blick, als wolle er ihre Gedanken lesen. Die junge Frau fühlt sich, als richte er den Strahl einer Lampe auf ihr Gesicht.
    »Diese Idioten ermitteln hinter meinem Rücken im Lucie-Milton-Fall! Erzählen Sie mir jetzt ja keine Märchen: Sie haben davon gewusst!«
    »Ich wusste nur, dass sie es vorhatten.«
    »Und Sie haben mir nichts gesagt!«
    »Das ist nicht meine Aufgabe.«
    »Aber Sie unterstehen mir!«
    »Das verpflichtet mich nicht, mich in die internen Angelegenheiten der Abteilung einzumischen.«
    »Sie stehen also auf deren Seite.«
    »Ich stehe auf niemandes Seite.«
    »Aber Sie geben ihnen recht!«
    »Wie Sie mir freundlicherweise zu verstehen gegeben haben, bin ich lediglich eine blutige Anfängerin bei der Polizei und noch unfähig, mir Einblick in die Kompetenzen der Kollegen zu verschaffen. Also verwickeln Sie mich bitte nicht in die Probleme, die Ihnen Ihre Untergebenen bereiten.«
    »Sie wussten also, dass ein Messer gefunden wurde.«
    »Nein, das ist mir neu. Handelt es sich um die Tatwaffe?«
    »Millar, dieser Dreckskerl, hat ohne mein Wissen ein Gutachten angefordert, und Woodruff stärkt ihm den Rücken.«
    »Möglicherweise hat er gute Gründe …«
    »Ein Kind will einen Schwarzen mit Kapuze gesehen haben, der in großer Eile das Haus von Lucie

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