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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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wollte sie schon wieder schließen, als sein Blick auf einen Satz links von seinem Daumen fiel.
    »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater!«
    Er erschauerte.
    Das waren haargenau die Worte, die der Prediger bei seinem missglückten Selbstmordversuch gerufen hatte!
    Er hatte es auf Lateinisch gesagt: Noli me tangere  … Dann hatte er hinzugefügt »Rühre mich nicht an, denn …«
    Und wenn »noli me tangere« nun ganz einfach »rühre mich nicht an« bedeutete? Womöglich hatte der Prediger, der über eine gewisse Bildung zu verfügen schien, nacheinander den lateinischen und den übersetzten Text gerufen.
    Der komplette Sinn von Steves lateinischer Botschaft wäre also folgender: »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater!«
    Wieder so ein unglaublicher Zufall – auf die Bibelseite zu geraten, wo diese Worte standen! Hatte Lucie ihm die Übersetzung der Worte aus Steves Mail liefern wollen?
    Jeff versuchte sich zu fassen. Die Stimme der Vernunft hämmerte ihm ein, keinen tieferen Sinn in einem Zufall zu suchen, es handele sich schlicht und einfach um einen Deutungswahn. Doch die Wahrheit war: Er hörte immer weniger auf diese Stimme. Es gab einfach zu viele seltsame Fügungen, als dass man hier noch an ›Zufall‹ glauben konnte.
    Heute Abend hatte er Lucie gerufen.
    Sie hatte geantwortet.
    Und Jeffs Brust wurde von einem so freudigen Beben erfasst, dass er nicht die geringste Lust verspürte, sich dem Zweifel hinzugeben.
    Die einzige Frage war: Was wollte sie ihm mitteilen? Gewiss verbarg sich eine Botschaft in dieser letzten Mail, die ihr Verlobter ihr hatte zukommen lassen … Aber welche?
    »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater …«
    Hielt sich dieser Zombie Steve für Jesus, oder was?
    »… noch nicht aufgefahren zum Vater.« Noch nicht zum lieben Gott zurückgekehrt, das hieß noch nicht tot ? Hatte Steve ihr bedeuten wollen, dass er sterben würde? Dass er Selbstmord begehen wollte?
    Oder dass er sich bedroht fühlte und man ihn töten würde?
    »Rühre mich nicht an …« Nähere dich mir nicht. Halte dich fern, denn es besteht Gefahr.
    Die Korrespondenz von Steve und Lucie war gespickt mit kodierten Sätzen und lateinischen, griechischen, biblischen oder esoterischen Verweisen. Die beiden vereinte nicht nur ihre Leidenschaft für die Forschung, sondern auch ein gemeinsames Interesse an kulturellen Zusammenhängen, die Jeffs Horizont überstiegen. Sinnlos der Versuch, ihre sprachlichen Spielchen zu entschlüsseln! Es tat auch weh: Die beiden vereinte so vieles, das sich ihm nie erschließen würde.
    Warum hatte sie gerade ihn, Mulligan, gewählt, um ihren Mord aufzuklären?
    Plötzlich wurde ihm die Absurdität dieses Gedankens bewusst, und er fürchtete, sich immer mehr in einer Welt des Wahnsinns zu verlieren.
    Er musste zurück auf den Boden der Tatsachen.
    Bevor Steve in die Rolle von Gottes Sohn schlüpfte, war sein Vater ein Mensch aus Fleisch und Blut mit Namen Henry Buchanan gewesen. Jeff erinnerte sich vage an das Dossier über ihn. Ein ungeheuer erfolgreicher Geschäftsmann und Milliardär.
    Konnte Steves Vater in die Sache verstrickt sein? Und Lucie ermordet haben? Und Steve? Nein … Nicht seinen eigenen Sohn. Doch womöglich war er dennoch in dunkle Machenschaften verwickelt.
    »Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater …«
    Nähere dich mir nicht, denn ich bin noch nicht zu meinem Papa zurückgekehrt, um gewisse Dinge mit ihm zu regeln … Hatte Steve Lucie auf Abstand halten wollen, um sie zu schützen, solange ein gewisses Problem mit Henry Buchanan nicht geklärt war? Und der weitere Verlauf der Ereignisse hatte ihm recht gegeben: Er war wirklich in Gefahr. Und sie auch.
    Befand sich der Schlüssel zu den beiden Morden bei Henry Buchanan? Versuchte Lucie ihm diese Richtung zu weisen?
    Jeffs Kopfwunde beginnt wieder heftig zu schmerzen. Unwillkürlich muss er lachen. Noch nie hat er einen Teamkollegen im Jenseits gehabt. Und seines Wissens auch kein anderer Polizist. Er dreht durch.
    Oder auch nicht.
    Oder doch …
    Er muss durchatmen. Jeff öffnet die Fenstertür und tritt auf den winzigen Balkon. Die Nachtluft füllt seine Lungen mit wohltuender Frische. Majestätisch ragt die gigantische Silhouette des Bergmassivs über dem Tal empor. Noch nie hat sich Jeff so klein gefühlt.
    In diesem Augenblick wird es ihm in aller Deutlichkeit klar: Die Kräfte, die den

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