Tödliche Ewigkeit
es sich nur ein, weil das der einzige Weg war, in Jeffs Nähe zu sein? Ann hätte es selbst nicht sagen können. Sie wusste nur, dass sie diesen Mann liebte und bereit war, ihn bis ans Ende seiner Ermittlungen zu unterstützen. Seine Fantasien von Phantomen, die ihn angeblich aus dem Jenseits leiteten, schienen ihr natürlich völlig abwegig. Trotzdem musste sie zugeben, dass ihre letzten Entdeckungen verwirrend waren. Gewiss, der Sergeant besaß eine bemerkenswerte Intuition, die es ihm ermöglichte, Dinge zu erahnen, die anderen entgingen … Aber sein mangelnder psychischer Halt und die ihm eigene überdurchschnittliche Sensibilität führten zu wahnhaften Deutungen, die ihn bis an die Grenzen der Psychose brachten. Und zweifellos war sie für diesen Mann die einzige und letzte Verbindung zur Realität.
Sie entwarfen einen Schlachtplan. Ann sollte Dr. Yudkowski erneut aufsuchen. Das konnte sie tun, ohne weiter Verdacht zu erregen: Der Arzt hatte ihr innerhalb der letzten Tage mehrere Nachrichten hinterlassen und darin den Wunsch geäußert, sie zu sehen. Jeff seinerseits würde … improvisieren. »Ich kann nichts anderes tun, als mich leiten zu lassen«, erklärte er. Ann verspürte einen kleinen Stich. Würde er am Ende von dieser Obsession lassen können, um erneut Fuß in der Welt der Lebenden zu fassen?
»Übrigens …«, meinte Ann, als sie sich verabschiedeten, »Sie haben mir gar nichts erzählt.«
»Wovon?«
»Wie das in der Klinik abgelaufen ist.«
»Bestens.«
»Und zwar?«
»Ich kam rein, habe freundlich gebeten, mich in die Etage mit den Verwaltungsbüros zu führen, habe die Computer konsultiert und eine Festplatte mitgenommen. Dann bin ich wieder raus.«
»Gab es keinen Widerstand?«
»Es waren nur sechs Wachleute im Gebäude.«
»Und?«, fragte Ann ungeduldig.
»Ich denke mal, vor Ort war alles Nötige für Erste-Hilfe-Maßnahmen vorhanden.«
WÜSTE VON JUÁREZ
Raúl versuchte angestrengt, sich am Stand der Sonne zu orientieren, und fuhr über mehrere Stunden möglichst geradeaus. Er hoffte, auf einen bewohnten Ort zu treffen, wo er um Hilfe bitten konnte. Die Spur, die sein Fahrzeug hinterließ, war überdeutlich zu erkennen und die Gefahr zu groß, dass ihn seine Verfolger einholen würden. Doch so weit sein Auge reichte, war nur Wüste, und er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er sich befand. Der Tank des Jeeps leerte sich unerbittlich. Als die Nadel anzeigte, dass er fast leer war, beschloss er, eine kurze Rast einzulegen. Und zu sehen, in welchem Zustand sich sein Passagier befand. Hatte er die Kraft gehabt zu trinken? Raúl hatte es nicht übers Herz gebracht, ihn zurückzulassen, doch er konnte sich nicht so um ihn kümmern, wie es sein Zustand erfordert hätte.
Er stieg aus dem Wagen, öffnete die Hintertür und zwang sich zu einer zuversichtlichen Miene.
»Nun, mein Freund, wie g …«
Raúl spürte, wie ihm das Blut in den Adern stockte. Einen Moment lang glaubte er, den Verstand zu verlieren.
Was er im Fahrzeuginnern sah, war unbeschreiblich.
Das Wesen, das dort ausgestreckt lag, hatte nichts mit dem Mann gemein, den er mitgenommen hatte. Es war keine menschliche Gestalt.
Als sich seine Augen nach dem grellen Licht der Wüste an das Dunkel im Wagen gewöhnt hatten, konnte sich Raúl ein genaueres Bild machen.
Er erkannte die Kleidung: eine weiße Hose und ein Hemd in der gleichen Farbe. Aber beide waren zerrissen, als wären sie geplatzt.
Und der Mann …
Er war es wohl, es konnte nur er sein, den das Schicksal zu seinem Fluchtgefährten gemacht hatte. Aber er war völlig verändert.
Das Gesicht war derart angeschwollen, dass es keine menschlichen Züge mehr besaß, und sein Körper so aufgedunsen, als hätte er innerhalb weniger Stunden hundert Kilo zugenommen.
Raúl lauschte angestrengt. War er tot?
Raue und zugleich pfeifende Atemzüge.
Er lebte.
Raúl kletterte zu ihm in den Wagen und beugte sich mit einer Mischung aus Angst und Ekel zu ihm hinab.
»Hören Sie mich?«, flüsterte er in sein Ohr.
Der andere antwortete mit einem Grunzen. Trotz seiner Abscheu legte ihm Raúl die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen.
»Er wird so enttäuscht sein«, stieß der Mann keuchend hervor.
»Enttäuscht? Von wem sprechen Sie?«
»Der Professor … So enttäuscht.«
»Buchanan?«
Der Mann zitterte leicht.
»Oh, nein! Ich unterstehe direkt Professor Irkalla. Wir sind zu fünft.«
Stolz schwang in seiner Stimme mit.
»Professor Irkalla? Wer
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