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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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liebte. Doch seine Reaktion war fast … unverhältnismäßig. Man hätte meinen können, die Welt wäre für ihn zusammengebrochen. Ich glaube, die Anerkennung seines Vaters war ihm sehr wichtig.«
    »Warum hat er dann nicht seine Nachfolge angetreten?«
    »Er wird sich wohl gewünscht haben, was alle Söhne insgeheim ersehnen: anerkannt zu werden und doch seinen eigenen Weg gehen zu können. Er arbeitete wie ein Besessener und träumte davon, dass sein Vater stolz sein würde auf die Erfolge in der von ihm gewählten Laufbahn. Doch das war nicht Henrys Art …«
    Der Arzt verstummte gedankenverloren.
    »Ach, wissen Sie, ich kann mir diesen Irrtum nicht verzeihen. Womöglich wäre Steve noch am Leben …«
    »Wie können Sie so etwas denken?«, fiel ihm Ann ins Wort.
    »Bevor er Lucie kennenlernte, war Steve ein sehr grüblerischer, verschlossener junger Mann, der alles mit dem Intellekt zu erfassen suchte und keine Gefühle zuließ. Sie hat ihn verwandelt. Durch die Begegnung mit ihr wurde er warmherzig, menschlich, offen gegenüber anderen. Die Krankheit seines Vaters hat ihn erneut ins Dunkel gestoßen, mehr noch als zuvor.«
    »Und als er erfuhr, dass sein Vater nicht oder nicht mehr krank war?«
    Yudkowski zögerte.
    »Nun, das ist das Befremdlichste. Selbst als er sich dessen sicher sein konnte, war Steve nicht mehr derselbe. Ich erinnere mich, wie geistesabwesend er war, als Lucie einen Preis für ihre Forschungsergebnisse bekam. Sie war empört und fragte sich, ob er neidisch auf ihren Erfolg sei. Doch es war etwas anderes …«
    »Was?«
    »Ich habe es nie erfahren. Und dann ist er verschwunden.«
    »Und wenn Ihre Diagnose richtig war? Wenn Henry Buchanan wirklich von der ALS geheilt wurde?«
    »Das ist unmöglich.«
    »Ist bei einer solchen Krankheit keine spontane Remission denkbar?«
    »Die ALS ist eine degenerative Krankheit. Die Muskeln erhalten nicht mehr die notwenigen Nervenimpulse, weil die Verbindung zum Gehirn gestört ist. Sie verlieren an Kraft und verkümmern schrittweise. Für eine Remission müsste die Ursache, die dieses Phänomen auslöst, beseitigt werden. Und das kann nicht spontan geschehen.«
    »Und was genau ist der Auslöser dieser Krankheit?«
    »Das ist umstritten. Die Hypothese, es könne sich um eine Viruserkrankung handeln, wurde verworfen. Eine Dysfunktion der Apoptose ist in manchen Fällen möglich.«
    »Wie bitte?«
    »Der Zelltod. Er vollzieht sich zu schnell. Doch wir haben nicht viele Anhaltspunkte, um diese Annahme zu untermauern.«
    Ann runzelte die Stirn. Bei seinem kleinen Exkurs über das Altern hatte Blanchard diesen Punkt angeschnitten.
    »Die stichhaltigste These ist die einer Funktionsstörung des Sauerstoffmetabolismus.«
    Die junge Frau zuckte zusammen.
    »Die freien Radikalen?«
    »Genau«, erwiderte Yudkowski lächelnd. »Der Ursprung der Nervenentartung bei der ALS könnte auf einer zu hohen Sauerstoffkonzentration beruhen, welche hochtoxische Moleküle wie Peroxyde freisetzt. Dieses Phänomen könnte mit der Mutation eines Gens, des SOD-1, zusammenhängen, das normalerweise ein antioxidantes Enzym produziert. Aber ich will Ihnen die technischen Details ersparen …«
    »Die ALS-Forschung steht also in einem Zusammenhang mit der Altersforschung?«
    »So ist es.«
    »Wie würden Sie persönlich eine solche Therapie angehen?«
    »Wenn ich das wüsste …«
    »Träumen Sie ein wenig!«
    »Sie verstehen das nicht. Die Heilung einer ALS – es sei denn, sie wird durch eine exogene Ursache wie einen Virus ausgelöst – würde voraussetzen, dass man den gesamten Mechanismus der Zellregeneration beherrscht. Der Tag, an dem das gelänge, würde uns dem ältesten Traum der Menschheit näher bringen.«
    Ann erschauderte.
    »Und welcher Traum ist das?«
    Sie hatte alles verstanden, wollte aber, dass Yudkowski seinen Gedanken zu Ende führte. Ihr stockte der Atem, während sie darauf wartete, dass er das schicksalhafte Wort aussprach:
    »Die Unsterblichkeit.«
    Nach dem Abendessen schützte Ann Unpässlichkeit vor, um das Rendezvous zu beenden. Leicht enttäuscht begleitete Yudkowski sie bis vor ihre Haustür.
    Als sie im Bett lag, rief sie Jeff an. Anhand ihrer neuen Informationen zogen sie Zwischenbilanz. Steve Buchanan war nach seinem Verschwinden in den Bergen noch am Leben. Das war so gut wie sicher – dafür sprach die Mail. Die Krankheit seines Vaters hatte ihn stark mitgenommen, das Wissen aber, dass er außer Gefahr war, hatte ihn nicht aus dem

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