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Tödliche Flammen: Roman (German Edition)

Tödliche Flammen: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Flammen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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dass Marge vermutlich ein angesehenes Mitglied der Gemeinde gewesen sein musste.
    Überall im Haus entdeckte Reena Spuren von Bo. Während die allgemeine Ordnung sicherlich Marges Werk war, war er eindeutig für die Wartung des Hauses zuständig gewesen. Von den provisorischen Basteleien und schlampigen Reparaturen, auf die sie so häufig in den Wohnungen von Senioren stieß, fehlte hier jede Spur.
    Wie Judy gesagt hatte, hatte er sich um seine Großmutter gekümmert, und ihr Wohlergehen hatte ihm am Herzen gelegen.
    Nun erledigte er alles, tätigte Anrufe, sprach mit dem
Priester und traf Entscheidungen. Als sie sah, dass ihm wieder Tränen in die Augen traten, nahm sie seine Hand.
    »Kann ich etwas für dich tun?«
    »Sie … äh … wollen wissen, was sie anhaben soll. Für die Beerdigung. Ich muss etwas aussuchen.«
    »Soll ich das übernehmen? Männer haben doch keine Ahnung von Frauenkleidern.«
    »Da wäre ich dir sehr dankbar. Ihre Sachen sind hier im Schrank. Du kannst das auch später erledigen. Sie haben … ich meine, sie liegt noch da drin.«
    »Schon gut. Ich mache das.«
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, das Schlafzimmer einer Frau zu betreten, die sie nie kennengelernt hatte, und den Schrank zu durchsuchen, während seine Besitzerin tot daneben im Bett lag. Aus Respekt trat Reena zuerst ans Bett und betrachtete die Tote.
    Marge Goodnight hatte ihr graues Haar nicht gefärbt und es kurz und glatt getragen. Offenbar eher ein sachlicher Typ, wie Reena feststellte. Die linke Hand mit dem Ehering ruhte auf der Decke.
    Reena stellte sich vor, wie Bo dagesessen und ihre Hand gehalten hatte, während er sich von ihr verabschiedete.
    »Es ist zu viel für ihn«, sagte sie leise. »Ein Kleid für Sie auszusuchen überfordert ihn ein wenig. Hoffentlich stört es Sie nicht, dass ich das erledige.«
    Sie öffnete den Schrank und schmunzelte beim Anblick der eingebauten Regale und Fächer. »Das hat er gemacht, richtig?« Sie warf einen Blick auf Marge. »Sie haben es gern schön ordentlich, und er hat Ihnen dabei geholfen. Gute Arbeit. Vielleicht muss ich ihn bitten, so etwas auch für mich zu bauen. Was halten Sie von diesem blauen Kostüm, Marge? Würdevoll, aber nicht spießig. Und dazu die Bluse mit dem kleinen Spitzensaum an der Knopfleiste. Hübsch und dennoch nicht zu verspielt. Ich glaube, ich hätte Sie gemocht.«
    Sie nahm einen Kleidersack, hängte die Sachen hinein und wählte, obwohl sie wusste, dass es überflüssig war, noch ein Paar Schuhe und Unterwäsche aus der Kommode aus.
    Bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich ein letztes Mal zum Bett um. »Ich werde eine Kerze für Sie anzünden und meine Mutter bitten, einen Rosenkranz zu beten. Niemand betet den Rosenkranz so wie meine Mama. Gute Reise, Marge.«
     
    Reena nahm zwei Stunden Sonderurlaub, um zur Beerdigung zu gehen. Bo hatte sie nicht gebeten zu kommen, und sie hatte den Eindruck, dass er dieser Frage sogar absichtlich ausgewichen war. Nun saß sie in der letzten Reihe und wunderte sich, wie gut besucht die Messe war. Ihr kurzes Gespräch mit dem Pfarrer hatte ihre Vermutung bestätigt, dass Margaret Goodnight eine Stütze der Gemeinde gewesen war.
    Die Freunde und Nachbarn hatten wie üblich Blumen mitgebracht, sodass es in der Kirche nach Lilien, Weihrauch und Kerzenwachs roch. Reena erhob sich, kniete sich hin, setzte sich und sprach die Gebete mit, denn der Ablauf eines Gottesdienstes war ihr so vertraut wie ihr eigener Herzschlag. Die Trauerrede des Priesters fiel sehr persönlich aus und zeugte davon, wie sehr er die Verstorbene geschätzt hatte.
    Sie hat anderen Menschen etwas bedeutet, dachte Reena. Sie hat Spuren hinterlassen. Und war das nicht der Sinn des Lebens?
    Als Bo ans Rednerpult trat, um ein paar Worte zu sprechen, glaubte Reena, dass Marge sicher nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte, wenn sie sein Aussehen in dem dunklen Anzug bewunderte.
    »Meine Großmutter«, begann er, »war ein durchsetzungsfähiger Mensch und verabscheute Dummheit. Sie
war der Ansicht, dass jeder die Pflicht hat, den Verstand zu benutzen, den Gott ihm geschenkt hat, da er sonst anderen Leuten nur den Platz wegnimmt. Sie hat sich immer nützlich gemacht. Mir erzählte sie, sie habe zur Zeit der großen Depression für einen Dollar am Tag in einem Billigladen gearbeitet. Bei gutem wie bei schlechtem Wetter musste sie dorthin drei Kilometer zu Fuß gehen. Doch sie hat sich nie beklagt, sondern einfach nur getan, was getan werden

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