Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
Freude. Ich habe nicht alles getan, was ich hätte tun sollen, als meine Kinder aufgewachsen sind. Ich war neunzehn, als das erste geboren wurde. Als meine Freundin schwanger war, haben wir geheiratet. Zwei Jahre später kam das nächste Kind, und das dritte nach drei weiteren Jahren. Ich war damals bei der Feuerwehr. Dieser Job und die Arbeitszeiten können für eine Familie sehr hart sein. Mein Fehler war, dass ich sie nicht an erste Stelle setzte. Also kam es vor etwa zehn Jahren zur Scheidung.«
»Das tut mir leid.«
»Seltsamerweise verstanden wir uns danach besser. Wir kamen uns näher. Vielleicht beseitigte die Scheidung die schlechten Dinge und machte Platz für die guten.« Er trank mit zurückgelegtem Kopf aus seiner Flasche. »Ich bin also zu haben, falls Ihre Frau eine ältere unverheiratete Schwester haben sollte.«
»Sie hat nur Brüder, aber eine Menge Cousinen.«
Für eine Weile kehrte geselliges Schweigen ein. »Hier lässt es sich aushalten.« John trank einen kleinen Schluck, zog an seiner Zigarette und ließ den Blick über die Nachbarschaft gleiten. »Ein guter Ort, Gib. Sollten Sie noch jemanden brauchen, der Ihnen hilft, den Laden wieder aufzubauen, lassen Sie es mich wissen – mit mir können Sie rechnen.«
»Das weiß ich zu schätzen.«
Im oberen Stockwerk lag Reena im Bett und lauschte den Stimmen, die durch das offene Fenster hereindrangen, während die Abenddämmerung den Himmel mit zarten Farben überzog.
Es war bereits vollkommen dunkel, als die Schreie sie weckten. Sie rollte sich aus dem Bett mit dem beklemmenden Gefühl, dass das Feuer sie verfolgte. Er war
zurückgekommen. Er war hier, um ihr Haus niederzubrennen.
Aber es brannte nicht. Fran hatte geschrien. Sie stand auf dem Gehsteig und verbarg das Gesicht an der Schulter des Jungen, der sie ins Kino ausgeführt hatte.
Im Wohnzimmer lief der Fernseher. Der Ton war kaum zu hören. Ihre Eltern standen bereits an der Eingangstür. Als sie sich zwischen die beiden drängte, sah sie, warum Fran geschrien hatte und warum ihre Mutter und ihr Vater so steif an der offenen Haustür standen.
Der Hund brannte, sein Fell kokelte und rauchte. Von der Blutlache, die aus seinem Maul geflossen war, stieg Dampf auf. Reena erkannte am heiseren Bellen den Köter, den Joey Pastorelli Fabio getauft hatte.
Sie sah zu, wie die Polizei Joey Pastorelli abholte – so, wie sie es mit seinem Vater getan hatten. Aber er hielt den Kopf nicht gesenkt, und seine glänzenden Augen trugen einen teuflischen Ausdruck.
Das war einer der letzten Eindrücke dieser langen heißen Augustwochen, die ihr ganz deutlich im Gedächtnis blieben – ein August, in dem der Sommer und auch ihre Kindheit endeten.
Sie erinnerte sich an den freudigen Glanz in Joeys Augen und an seinen stolzen Gang, als sie ihn zum Streifenwagen führten. Und sie vergaß nie seine blutbeschmierten Hände – es war das Blut seines eigenen Hundes.
Kapitel 4
Mai 1992
D as aufwändig instrumentierte, schmalzige Gesülze, mit dem Mariah Carey ihre Gefühle auszudrücken versuchte, drang durch die Wand des Nebenzimmers. Ein nicht enden wollender Strom – wie zähe Lava, einfach furchtbar!
Reena störte normalerweise Musik beim Lernen nicht. Auch Partys, Kleinkriege oder ein Donnerwetter brachten sie dabei nicht aus der Ruhe. Immerhin war sie in einem Haus mit einer großen, lauten Familie aufgewachsen. Wenn ihre Zimmernachbarin jetzt allerdings noch einmal diesen Song spielte, würde sie hinübergehen und ihr einen Bleistift ins Auge stechen. Danach würde sie sie zwingen, diese verdammte CD aufzuessen, und zwar samt der Hülle. Verdammt, immerhin steckte sie mitten in den Vorbereitungen für ihre Abschlussprüfung. Und was sie sich in diesem Semester aufgeladen hatte, war nicht von schlechten Eltern. Aber, rief sie sich selbst ins Gedächtnis, es war es wert. Für die Zukunft.
Reena schob den Stuhl vom Computertisch zurück und rieb sich die Augen. Vielleicht brauchte sie eine kurze Pause. Oder Ohrstöpsel.
Sie stand auf, ignorierte das Chaos, das entstand, wenn zwei Collegestudentinnen sich einen kleinen Raum teilten, und ging zum Kühlschrank, um sich eine Cola light herauszuholen. Allerdings fand sie nur eine offene Flasche mit fettarmer Milch, vier Packungen Slim Fast, eine Diätlimonade und eine Tüte mit Karottenstiften.
Das war unfair. Warum klaute man immer ihr alle Sachen? Natürlich, wer wollte denn schon Ginas »Ich-bin-auf-einer-Dauerdiät«-Zeug haben?
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