Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
Trotzdem …
Sie setzte sich auf den Fußboden und starrte auf den
Stapel Bücher und Aufzeichnungen auf ihrem Schreibtisch, während Mariahs Stimme sich wie eine bösartige Sirene in ihre ohnehin überlasteten Gehirnwindungen bohrte.
Warum glaubte sie eigentlich, sie könne das schaffen? Warum wollte sie das tun? Sie hätte Frans Beispiel folgen und in das Familienunternehmen einsteigen können.
Sie könnte zu Hause sein. Oder eine Verabredung haben wie ein normales Mädchen. Früher einmal war es ihr Lebensziel gewesen, ein Teenager zu werden. Jetzt hatte sie diese Phase des Lebens beinahe schon abgeschlossen und saß in einem vollgestopften Zimmer in einem Studentenwohnheim, hatte nicht einmal eine Cola und war begraben unter der Last eines Lernpensums, das nur ein verrückter Masochist aushalten konnte.
Sie war achtzehn Jahre alt und hatte bisher keinen Sex gehabt. Noch nicht einmal einen richtigen Freund.
Bella heiratete im kommenden Monat, Fran konnte sich die Verehrer nur mit Mühe vom Leib halten, und Xander arbeitete sich vergnügt durch einen Schwarm von Schönheiten, wie ihre Mutter es zu bezeichnen pflegte.
Und sie war an einem Samstagabend allein, weil sie von ihrer Abschlussprüfung so besessen war wie ihre Mitstudentin von Mariah Carey.
O nein, jetzt hatte sie Céline Dion aufgelegt.
Lasst mich sterben.
Es war ihre eigene Schuld. Sie hatte sich dafür entschieden, ein enormes Lernpensum an der High School auf sich zu nehmen und an den Wochenenden mehr zu arbeiten als auszugehen. Weil sie wusste, was sie wollte. Sie wusste es schon seit damals, seit dieser langen heißen Woche im August.
Sie wollte das Feuer.
Also lernte sie und behielt dabei auch noch etwas anderes im Auge. Sie wollte ein Stipendium, dafür arbeitete sie
und sparte eisern ihr Geld für den Fall, dass sie kein Stipendium bekommen würde.
Aber es hatte geklappt, und nun war sie an der Universität von Maryland, teilte sich ein Zimmer mit ihrer ältesten Freundin und dachte bereits an die Prüfungen, die auf sie zukommen würden.
Wenn das Semester vorüber war, würde sie nach Hause fahren, im Laden arbeiten und den Großteil ihrer Freizeit in der Feuerwache verbringen. Oder John Minger dazu überreden, dass sie ihn bei seinen Einsätzen begleiten durfte.
Und dann war da natürlich Bellas Hochzeit. Seit neun Monaten wurde über fast nichts anderes mehr gesprochen. Eigentlich war das ein guter Grund, einen Samstagabend hier allein zu verbringen.
Es könnte noch schlimmer sein – sie könnte sich zum Beispiel inmitten der Planung für die perfekte Hochzeit befinden. Sollte sie jemals heiraten – was zuerst einmal den richtigen Freund voraussetzte –, würde sie die Hochzeit ganz schlicht gestalten. Sollte Bella doch ihren Spaß an den endlosen Anproben des aufwändig geschneiderten Hochzeitskleides haben, das natürlich wunderschön war. Und an den nicht enden wollenden, oft tränenreichen Diskussionen über Schuhe, Frisur und Blumenschmuck. Die Vorbereitungen für den gigantischen Empfang kamen beinahe den strategischen Planungen für einen großen Krieg gleich.
Sie würde sich lieber in St. Leo trauen lassen und anschließend mit der Familie im Sirico feiern. Wahrscheinlich würde sie den Rest ihres Lebens die Rolle der ewigen Brautjungfer spielen. Meine Güte, auf diesem Gebiet war sie inzwischen bereits Expertin.
Um Himmels willen, wie oft konnte sich Lydia noch die Titelmelodie von Die Schöne und das Biest anhören, ohne ins Koma zu fallen?
Einer plötzlichen Eingebung folgend sprang Reena auf,
bahnte sich den Weg zu dem tragbaren CD-Player und wühlte in der Menge der CDs.
Grimmig lächelnd legte sie Smells Like Teen Spirit von Nirvana ein und drehte den Lautstärkeregler auf.
Während der Krieg zwischen Diva und Grunge tobte, klingelte das Telefon.
Sie stellte die Musik nicht leiser – es ging ums Prinzip –, sondern schrie in den Hörer.
Eine drittes Lied dröhnte an ihr Ohr, und Gina brüllte: »Party!«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich lernen muss.«
»Party! Komm schon, Reena, sie kommt gerade in Gang. Du musst auch noch etwas vom Leben haben!«
»Musst du am Montag nicht deine Abschlussprüfung in Literatur schreiben?«
»Party!«
Reena musste kichern. Gina brachte sie immer zum Lachen. Nach der religiösen Phase, die sie im Sommer des Feuers durchgemacht hatte, hatte sie sich der Poesie verschrieben, sich danach auf Rockstars und später auf Mode konzentriert.
Jetzt ging es pausenlos
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