Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
Scherben und drückte prüfend ein paar Tasten. Das Display flackerte, fiel aus, erwachte wieder zum Leben.
Vielleicht reicht es noch für einen Anruf.
*
Hartmann war beim ersten Klingeln hellwach, eine Fähigkeit, die er sich durch jahrzehntelange Nachtdienste bitter erworben hatte. Die nächtlichen Störungen hatten bei seiner Frau das Gegenteil bewirkt. Ihr Atem ging tief und gleichmäßig.
Hartmann schlüpfte aus dem Bett, stieg in die Hausschuhe und eilte durch den Flur, bemüht, so wenig Lärm wie nötig zu machen. Seit seine Zwillingstöchter aus dem Haus waren und studierten, musste er keine Rücksicht mehr auf ihren Schlaf nehmen, aber alte Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht ablegen.
Er nahm den Anruf im Flur entgegen und ging mit dem Hörer in der Hand in die Küche. Auf der Arbeitsplatte hatte seine Frau wie jede Nacht eine Thermoskanne mit Kaffee für den Einsatz bereitgestellt. Er goss sich einen Becher ein.
Es war Kühnast. »Hallo Werner, entschuldige die frühe Störung, aber hier überschlagen sich gerade die Ereignisse. Auf Kanthers Handy ist ein seltsamer Anruf eingegangen.«
»Siegfried Bär?«, fragte Hartmann, dessen Jagdinstinkt schlagartig erwachte. Er verspürte ein Kribbeln in der Magengegend.
»Nein. Es war Nora.«
Die Aufregung in Hartmanns Magen verwandelte sich in ein dumpfes Gefühl der Angst.
»Sie hat Kanther in eine Bockenheimer Druckerei bestellt.«
Hartmann ahnte, dass die Sache noch schlimmer würde.
»Krüger scheint sie in seiner Gewalt zu haben. Sie sagte, Kanther solle innerhalb von fünfundvierzig Minuten dort erscheinen, sonst bringe Krüger sie um. Sie klang, als wäre sie mit den Nerven am Ende.«
Hartmann schloss die Augen. Dann schüttelte er den Kopf. »Und ich hab sie noch ermahnt, auf sich aufzupassen.« Mit dem Hörer am Ohr rannte er ins Bad, um sich anzuziehen. »Also gut. Ist Kanther schon unterwegs?«
»Bei ihm zu Hause geht niemand ans Telefon.«
Hartmann runzelte irritiert die Stirn. »Ihr habt doch das Funksignal von seinem Handy. Ist er losgefahren?«
»Das ist eben das Problem«, entgegnete Kühnast kleinlaut. »Kurz nach dem Anruf von Nora war das Signal plötzlich weg.«
»Was?«, blaffte Hartmann fassungslos. »Soll das heißen, wir haben keine Ahnung, wohin Kanther fährt?«
Kühnast blieb eine Weile lang still. Dann war seine Stimme plötzlich wieder da. »Warte mal, Werner. Der Techniker sagt mir gerade, er kriegt ein schwaches Signal vom Provider rein. Nur alle paar Minuten und unregelmäßig, aber da scheint was zu sein. Vielleicht ist das Handy defekt.«
Hartmann stellte das Telefon auf Lautsprecherbetrieb und zog sich an, während er auf weitere Berichte von Kühnast wartete.
»In Bockenheim gibt es vermutlich dutzende Druckereien, Günther. Wenn wir Kanther verlieren, wissen wir auch nicht, wo Krüger Nora festhält«, sagte Hartmann schließlich düster. »Habt ihr versucht, ihn auf dem Handy anzurufen?«
»Er geht nicht ran«, antwortete Kühnast. »Aber Nora hat etwas von einer Nachricht erwähnt, die sie auf Kanthers Anrufbeantworter hinterlassen hat.«
»Dann soll Grauvogel sofort zu Kanthers Wohnung fahren, die Tür aufbrechen und den Anrufbeantworter abhören. Hoffentlich hat Kanther die Nachricht nicht gelöscht. Ruf Gideon an, er soll ein paar Kollegen organisieren und – so weit das möglich ist – dem Funksignal folgen; du leitest ihn. Wenn Grauvogel einen Hinweis auf Krügers und Noras Aufenthaltsort entdeckt, soll er sofort Gideon informieren. Ich fahre zu Noras Wohnung und sehe mich um; schick den Schlüsseldienst und die Spusi dorthin.« Hartmann legte auf.
Als er sich umdrehte, stand seine Frau mit sorgenvollem Gesicht in der Badezimmertür.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, entschuldigte er sich, während er seine Socken anzog.
»Ist etwas passiert?«
Hartmann nickte. »Ein Wahnsinniger hat meine Mitarbeiterin Nora Winter entführt und droht, sie umzubringen.«
Seine Frau zog den Gürtel ihres Bademantels enger und sah ihrem Mann mit halb geschlossenen Augen beim Ankleiden zu. Hartmann gab ihr im Vorübergehen einen Kuss. Dann schnappte er sich die Thermoskanne und lief zur Tür.
»Du bringst sie bestimmt heil nach Hause, Werner.«
Mit einem wortlosen Nicken verließ er das Haus. Ja, er würde Nora heil nach Hause bringen. Etwas anderes könnte er sich niemals verzeihen.
*
Die Zeit zerrann Kanther zwischen den Fingern. Seit fünf Minuten stand er nun schon am Merianplatz und
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