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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Böse sind«, fragte Nora und konnte sich dabei eines sarkastischen Untertones nicht erwehren, »was sind Sie denn dann?«
    »Ich bin Schriftsteller, ich erschaffe den Bösen!«, antwortete Paul, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
    »Und was bin ich?«, fragte Nora verwundert, nachdem Krügers Stimme verhallt war.
    »Sie? Sie sind mein Finale!« Das Lächeln auf seinem Gesicht sah gespenstisch ehrlich aus.
    *
    Kanther saß ausgestreckt in seinem Ohrensessel und schlief. Auf dem Display des CD-Spielers leuchtete in blauer Schrift Repeat und die Callas gab ganz ohne ein Zeichen von Erschöpfung zum hundertsten Mal Casta Diva aus der Norma . Der Nachbar hatte sich um halb zwei in sein Schicksal gefügt und das Klopfen eingestellt. Jetzt zeigte die Uhr viertel nach fünf. Das erste Tageslicht erhellte zaghaft den Samstagmorgen.
    Das Telefon klingelte fünf Mal. Dann schaltete sich der Anrufbeantworter mit einem Fiepen ein.
    »Herr Kanther?«
    Er schlug die Augen auf. Eine Frauenstimme. Schwach, verängstigt, am Rande der Hysterie. Er kannte die Frau, zu der diese Stimme gehörte. Kanther lauschte den angestrengten Atemzügen, die sich durch die Leitung auf seinem Band verewigten.
    »Nora Winter hier.«  
    Eine Pause. Vermutlich wartete sie darauf, dass er den Anruf persönlich entgegennahm. Er schloss die Augen und drückte sich tiefer in den Sessel. Warum rief sie mitten in der Nacht bei ihm an? Er wollte in Ruhe gelassen werden. Nach dem Reinfall im Kombucha wollte er ein für alle Mal nichts mehr mit der Polizei zu tun haben.
    »Ich bin bei Krüger.«
    Kanther riss die Augen auf. Er hörte ein Rauschen in den Ohren, während sein Blutdruck sprunghaft anstieg.
    Wieder eine Unterbrechung. Flüstern im Hintergrund. Jemand schien ihr zu soufflieren.  
    »Kennen Sie die alte Druckerei Dondorf? Hinter dem Bockenheimer Depot? Kommen Sie dorthin. Ohne Polizei.«
    Kanther wuchtete sich aus dem Sessel und suchte kopflos seine Brille. Dabei stieß er versehentlich den Aschenbecher um. Er fluchte. Eine Wolke Zigarettenasche wirbelte durch das fahlblaue Morgenlicht. Es stank nach kaltem Rauch.
    »Sie haben fünfundvierzig Minuten. Dann tötet er mich.«
    Kanther hastete in den Flur.
    »Genau so wie die anderen Frauen.«
    Er riss den Hörer ans Ohr, aber die Verbindung war bereits abgebrochen.  
    Kanther fixierte den Anrufbeantworter. Wie erstarrt stand er im Flur, unfähig sich zu rühren.
    Es war das Klingeln von Siegfrieds Handy, das ihn aus seiner Lethargie riss. Mit zitternden Fingern fischte er es aus der Jackentasche.  
    »Herr Kanther?«
    Wieder Noras Stimme. Offensichtlich wollte Krüger auf Nummer sicher gehen.
    »Haben Sie meine Nachricht auf dem Anrufbeantworter abgehört?«
    »Geben Sie mir Krüger!«, forderte Kanther mit zitternder Stimme.
    Pause.
    »Er will nur hier mit Ihnen sprechen. Kennen Sie das Gebäude der ehemaligen Druckerei?«
    In seiner Erinnerung war die Gegend vor fünfundzwanzig Jahren ein Drogenumschlagplatz für die Schickeria aus der Frankfurter Kulturszene gewesen. Auch er hatte dort ein paar Mark mit weißem Staub auf schwarzen Rollkragenpullovern verdient.
    »Beeilen Sie sich. Wenn Sie in einer Dreiviertelstunde nicht hier sind, bringt er mich um. Er meint es ernst.«
    Wieder endete die Verbindung abrupt.
    Kanther blickte in den Spiegel. Die Gestalt, die zurückblickte, hatte nichts Vertrautes mehr. Er sah einen in sich selbst gefangenen, verlebten und starrsinnigen Mann, den man vor die Wahl gestellt hatte: Leben oder Tod. Ihr Leben oder deines.
    Aus dem Aufschrei, mit dem er das Handy in seine widerliche Fratze schleuderte, sprach abgrundtiefe Verzweiflung. Der Spiegel zerbarst und ein Splitter streifte sein Gesicht. Es brannte und etwas Warmes lief seine Wange hinunter. Mit dem Handrücken wischte er das Blut weg.
    Was sollte er tun? Einer Begegnung mit Krüger fühlte er sich nicht gewachsen. Wenn Nora Winters Überleben von seinem Verhandlungsgeschick mit einem Verrückten abhing, blieb er besser gleich zu Hause.
    Keine Polizei.
    Wem konnte er dort vertrauen? Etwa Richter, diesem selbstzufriedenen Musterbullen? Kanther brauchte einen Freund, jemanden auf den er sich verlassen konnte. Er er tappte sich bei dem absurden Wunsch, Nora Winter um Hil- fe zu bitten. Fieberhaft ging er seinen geschrumpften Bekanntenkreis durch. Suzanne Pollock kam nicht infrage, der Polizist Hartmann ebenfalls nicht, blieb nur noch Siegfried.
    Kanther stöhnte verzweifelt auf. In seinen

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