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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Kopfschütteln übrig hatte.
    Kanther betrat den Park durch den Haupteingang und passierte das rostige Hinweisschild mit der Aufschrift Günthersburgpark, Öffnungszeiten 8–18 Uhr.
    Er wählte den leicht ansteigenden Pfad zu seiner Rechten und bahnte sich den Weg um Pfützen und Kleinkinder herum, die lachend ihre ersten Fahrstunden auf Laufrädern und Rollern absolvierten.
     
    Die Kleine hielt die Luft an. Ich hätte beinahe losgelacht, es schien mir so – unpassend. Erst später erfuhr ich, dass dieses Luftanhalten ein natürlicher Reflex während des Erstickens ist.
     
    Kanther war am Kiosk angekommen.  
    Er musste bei Giannis keine Bestellung aufgeben. Sobald er dort auftauchte, fanden ein dampfender Espresso doppio und ein gut gefüllter Kognakschwenker von selbst ihren Weg auf den Tresen.  
    Viele Spielplätze im Viertel befanden sich in den trostlosen Ecken betonierter Hinterhöfe oder waren voll von Hundekot, Glasscherben und benutzten Spritzen. Kein Ort, an dem man seine Kinder freiwillig herumlaufen ließ, vermutete Kanther, dessen eigene Kindheit auf einem anderen Planeten stattgefunden hatte, so weit weg erschien sie ihm. Der Spielplatz im Günthersburgpark war daher beliebt. Er lag, groß und einigermaßen gepflegt, im Schatten mächtiger Kastanien, und der Kiosk mit seinen Tischen im Freien bot Eltern und Spaziergängern eine willkommene Ruhezone.  
    Kanther suchte sich einen Platz mit Blick auf den Sandkasten. Am Nebentisch beobachteten zwei Mütter ihre Sprösslinge, die sich mit Sand bewarfen.
     
    Kurz bevor sie das Bewusstsein verlor, lief die Kleine blau an. Ihre Lippen und ihre Haut schimmerten zartblau wie die Wegwarte. Das wiederum erschien mir passend. Die blaue Blume ist ein Schlüsselsymbol der Romantik. Sie steht für Sehnsucht und Liebe und das Streben nach Unendlichkeit.
     
    »Karl, nicht mit Sand werfen!«
    Die Mutter schüttelte mahnend den Kopf. Der Junge hob eine weitere Faust voll Sand und forderte seine Mutter mit einem Grinsen heraus.
     
    Wenn die Kraft sie verlässt, akzeptieren die meisten ihren unmittelbar bevorstehenden Tod. Wer einem Todgeweihten in diesem Moment in die Augen sieht, stellt eine erstaunliche Veränderung fest. Sie sind von Klarheit, Auflösung und Erkenntnis erfüllt. Die Kleine hatte genau diesen Ausdruck. Ihr Anblick war von so überirdischer Schönheit, dass ich unwillkürlich eine Erektion bekam, die sich gleich darauf in einer gewaltigen Ejakulation entlud. So versanken wir beide im geläuterten Blick des anderen. Sie sterbend, ich erlöst.
     
    Der Junge näherte sich dem Tisch. Er baute sich vor Kanther auf, der mit dem Rotstift Wörter und Satzzeichen einfügte oder strich. Wortlos stand der Kleine eine Weile da, beob-achtete den großen beleibten Mann mit der schwarzen Brille. Endlich rang er sich zu einer Frage durch.
    »Was machst du da?«
    Man braucht nur wenige Minuten, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern, aber offensichtlich Jahre, um ihm Benehmen einzubläuen, dachte Kanther. Er ignorierte die Frage des Jungen, der sicherlich gleich das Interesse verlieren würde. Er irrte sich.
    »Was machst du da?«
    »Ich lese eine Geschichte«, gab Kanther genervt zurück.
    »Was für eine Geschichte?«
    Kanther seufzte. Er hatte die Hartnäckigkeit des Jungen unterschätzt. »Eine Geschichte von einem großen dicken Mann, der neugierige Jungen frisst.«
    Das Gespräch am Nebentisch verstummte, die Mütter spähten argwöhnisch zu ihm herüber. »Karl, lass den Mann in Ruhe.«
    Die Ermahnung war überflüssig. Karl überlegte, ob er glauben konnte, was er gehört hatte. Dann stapfte er zu seinem Freund in den Sandkasten zurück. Er zeigte auf Kanther und erstattete Bericht.
     
    Nach ein paar Minuten begannen die Krämpfe. Ähnlich, wie bei einem epileptischen Anfall. Ihre Arme und Beine zuckten unkontrolliert und ich musste aufpassen, dass sie mich nicht trat. Ich zog das Kabel noch fester zu, damit sie nicht wieder zu Bewusstsein kam. Ihre Augen glichen kleinen wolkigen Glasmurmeln.
     
    Kanther zog einen dicken roten Kreis um die kleinen wolkigen Glasmurmeln, eine Metapher, die er als zu blumig empfand. Rittka hatte den schmucklosen Stil und die Perspektive von Kanthers Drachentöter einigermaßen gut getroffen. Der Drachentöter war also zurückgekehrt und brachte erneut Prostituierte um, indem er sie erwürgte. Es fühlte sich eigenartig an, die Auferstehung einer Romanfigur mitzuerleben, die man selbst erschaffen, bis auf den Grund

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