Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
übereinstimmte.
Er konnte sich nicht erinnern, wie das Schriftbild auf dem braunen Umschlag ausgesehen hatte, den Rittka eingewor fen hatte. Er ärgerte sich, dass er ihn zu Hause gelassen hatte.
Kanther klingelte ein zweites Mal. Keine Antwort. Was hatte er erwartet? Wollte er in Rittkas Wohnung marschieren, ihn am Kragen packen und mit pathetischer Stimme ausrufen: »Geben Sie es zu: Sie sind der Drachentöter!«
Sollte er doch lieber die Polizei einschalten?
Kanther sah sich um.
Ein Vater begleitete seinen Sohn von der Schule nach Hause. Ein älterer türkischer Mann überquerte die Straße, seine Frau, traditionell mit Mantel und Kopftuch bekleidet, folgte ihm demütig mit ein paar Schritten Abstand. Sonst war niemand zu sehen. Kanther blickte auf seinen Zettel. Die zweite Adresse befand sich in Sachsenhausen. Also wieder zurück zur U-Bahn.
Als Vater und Sohn etwa auf seiner Höhe angelangt waren, ertönte ein durchdringendes Geräusch in unmittelbarer Nähe. Erst als er die Vibration am Körper spürte, wurde ihm klar, dass es sich um ein Handyklingeln handelte, das aus seiner Jackentasche kam. Eine Melodie, die an eine Schlagerschnulze erinnerte, nur sang die Stimme nicht deutsch, sondern in einer fremdartigen, fernöstlich anmutenden Sprache.
Kanther erstarrte. Siegfrieds Handy. Und das bedeutete, sein Freund wollte den Koffer zurückhaben.
19. März
Am nächsten Morgen strahlte Raven wie die grinsende Katze aus Alice im Wunderland. Man merkte ihr den Stolz auf ihr ›Baby‹ deutlich an.
»APIS ist fündig geworden.«
Noras Herz hüpfte. Schritt für Schritt ging es voran, endlich hatte sie das Gefühl, die Ermittlungen liefen in der richtigen Spur.
Raven klickte sich mit der Maus durch einige Seiten im Internet, gab einen Benutzernamen und ein Passwort ein, und landete schließlich auf einer Seite, deren nüchterne Ge-staltung es locker mit dem Internetauftritt einer deutschen Behörde aufnehmen konnte.
»Das ist ein Forum, in dem Leute über Choking diskutieren. Sie geben Tipps, berichten von ihren Erfahrungen und tauschen Bilder.« Raven folgte, während sie redete, ein paar weiteren Links.
Die Abgeklärtheit, mit der sie sprach, und das sachliche Design des Forums, das in krassem Gegensatz zu seinem Inhalt stand, verursachten bei Nora eine Gänsehaut.
Über Ravens Bildschirm wanderten vorwiegend Fotos von Männern, manche mit nacktem Oberkörper, manche völlig unbekleidet. Die meisten hatten ihr Gesicht unkenntlich gemacht. Ihr Hals steckte in einem Schal, einem Kabel oder einer anderen Schlinge; einige posierten lachend, andere standen kurz vor einer Ohnmacht oder waren bereits bewusstlos. Eines hatten die Bilder jedoch gemein: Alle Männer waren sichtbar sexuell erregt. Vermutlich wählten die Teilnehmer eines solchen Forums gewollt Fotos aus, die sie mit erigiertem Penis zeigten und ihre sexuelle Potenz demonstrierten.
Nora war völlig perplex. »Ich habe schon von diesen Fo-ren für sexuelle Spielarten gehört, aber gesehen habe ich so etwas noch nie.«
»Das ist noch harmlos«, sagte Raven grimmig. »Vor ein paar Wochen sind wir in ein Forum für Nekrophile eingebrochen. Die posierten mit Leichenteilen. Und mit posieren meine ich nicht, dass die das verweste Fleisch nur in die Kamera gehalten haben.«
Bevor Nora antworten konnte, erschien das Bild einer jungen Frau auf dem Monitor. Es war Natalia Pawlenko, die Augen in Panik geweitet, durch die halb geöffneten Lippen quoll die bläulich verfärbte Zunge hervor. Der User mit der Bezeichnung rittka66 hatte ein lapidares *GF* unter das Foto gesetzt.
Nora fröstelte, als sie den Benutzernamen sah. Sie deutete auf den Kommentar. »Was bedeutet das?«
»GF? Das ist Forumsprache und bedeutet Girlfriend . Er behauptet, sie sei seine Freundin.«
Auf Ravens Bildschirm erschien ein kleines Fenster mit dem Code Lxc4 . Sie ging zu einem der Schachbretter, zog mit dem weißen Läufer und nahm eine schwarze Figur vom Brett.
»Können wir etwas über den User herausfinden, der das Bild hochgeladen hat?«, wollte Nora wissen.
Raven rief das Profil des Benutzers auf. Außer einem unpersönlichen Avatarbild und einer Altersangabe gab es kaum konkrete Informationen über rittka66.
»Die Teilnehmer solcher Foren sind verständlicherweise ziemlich sparsam mit Informationen über ihre Identität. Immerhin wissen wir, dass er erst seit wenigen Wochen Mitglied ist«, sagte Raven.
»Wer betreibt dieses Forum?«
Raven rief auf dem zweiten
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