Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
heiseres Krächzen hervor. Er streckte die Hand aus und berührte ihren Nacken. Das Handy fiel scheppernd zu Boden und piepte.
*
Nora blickte nervös auf die Uhr – sie waren eine Viertelstunde zu spät. Einer der Kollegen, der sie im Wagen mitnehmen sollte, war von einem anderen Einsatz verspätet zurückgekehrt, und auf die Schnelle hatte Richter keinen Ersatz auftreiben können.
Während die dunkelblaue Limousine mit den getönten Scheiben im dichten Verkehr in Richtung Nordend nur langsam vorankam, ging Nora im Kopf ein letztes Mal die einzelnen Phasen des Zugriffs durch.
Richter und sie hatten Kanther für kurz vor halb vier ins Kombucha beordert, genau zu dieser Zeit würde der Täter hoffentlich eintreffen. Sie wollten vermeiden, dass Kanther bei den polizeilichen Vorbereitungen anwesend war und nervös wurde – ihre Nerven lagen ja schon blank, und das war Behinderung genug. Es war besser, er wusste nicht, dass sie das gesamte Personal und die Gäste gegen Polizisten ausgetauscht hatten. Auf diese Weise würde er unbefangen bleiben und den Erfolg des Einsatzes nicht gefährden. Er sollte die ihm zugewiesene Rolle so authentisch wie möglich spielen und dafür stellte seine Unwissenheit die beste Garantie.
Sie stellten den Wagen zwei Parallelstraßen weiter ab und klemmten ein kleines Schild mit der Aufschrift POLIZEI hinter die Windschutzscheibe. Polizeifahrzeuge in unmittelbarer Nähe des Treffpunktes würden Verdacht erregen. Die Männer, zwei junge Burschen mit Bürstenhaarschnitt, deren durchtrainierte Körper Jeans und Sweatshirts zu sprengen drohten, prüften vor dem Aussteigen noch einmal die Sicherung ihrer Waffen und sahen auf die Uhr. Es war zwanzig nach zwei.
Die drei stiegen aus und machten sich auf den Weg zum Kombucha – Nora voraus, die beiden Männer im Schlepptau, wie Bodyguards in einem amerikanischen Film. Sie würden die restlichen Einsatzkräfte im Lokal treffen.
Sie bogen um die Ecke; das hölzerne Kneipenschild mit den schwungvollen Lettern tauchte zweihundert Meter von ihnen entfernt auf.
Schräg gegenüber standen kichernd ein paar Schulmädchen vor einem kleinen Geschäft mit dem Namen Nail Design Center. Vom anderen Ende der Straße her näherte sich eine Geschäftsfrau im Hosenanzug mit kurzen grauen Haaren in Begleitung eines jungen Mannes, der eine Schirmmütze und eine große Umhängetasche trug.
Vermutlich ihr Sohn, dachte Nora, oder ihr jugendlicher Liebhaber, sie gaben jedenfalls ein seltsames Paar ab. Vor der Panoramascheibe des Kombucha angekommen, warf der Mann einen prüfenden Blick ins Innere. Er blieb einen Moment reglos stehen, während die Frau bereits weitergegangen war und die Tür öffnete. Er holte sie ein. Blickte kurz die Straße hinunter, zu Nora und den beiden Männern hinüber. Sagte etwas zu der Frau, die unsicher auf der Türschwelle stehen blieb. Dann nickte sie und verschwand im Kombucha .
Der junge Mann setzte seinen Weg fort. Der Laden gefällt dir also nicht, dachte Nora und lächelte. Er erwiderte das Lächeln und als er sich auf gleicher Höhe mit ihr befand, musste er vom Gehweg auf die Straße ausweichen, um nicht mit den beiden Kraftprotzen in ihrer Begleitung zusammenzustoßen. Wie so oft, wenn man in der Stadt unterwegs war, kam ihr sein Gesicht irgendwie bekannt vor.
Nora musste viel Kraft aufbieten, um die schwere Eingangstür aus dunklem Holz zu öffnen; keiner ihrer Begleiter machte Anstalten, ihr zu helfen. Auf der Schwelle schlug ihr eine Mischung aus den Aromen von nassem Hundefell und frisch gebrühtem Kaffee entgegen. Sie suchte den Gastraum mit den Augen ab. Vor der Theke schlief eine milchkaffeefarbene Dogge. Richter und seine Kollegen konnte sie nirgendwo entdecken, das Team war noch nicht vollzählig.
Dafür hielt sich jemand im Kombucha auf, den sie hier nicht erwartet hatte. Noch nicht.
An einem Tisch direkt neben der Bar saß Kanther. An seiner Seite die Frau mit der grauen Kurzhaarfrisur. Sie hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte. Kan-thers Gesicht war kreideweiß. Er tätschelte ihr tröstend den Rücken, und tippte gleichzeitig eine Nummer in sein Handy ein. Dann führte er das Telefon an sein Ohr.
Einen Moment später klingelte Noras Handy.
*
Der Holbeinsteg, ein zarter Faden im Spinnennetz städtischer Verkehrswege, der Sachsenhausen und das Bahnhofsviertel miteinander verband, vibrierte unter Paul Krügers Sohlen. Jeder Passant, der die Hängebrücke überquerte, verursachte
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