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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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edle Prinz wartet.«
    Ich verließ die Toilette und trat in das vom vielen Alkohol verursachte Getöse hinaus. Rauch waberte durch den höhlenartigen Raum. Ich fühlte mich, als wäre ich eine Stunde lang weg gewesen, doch ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass nicht einmal zehn Minuten vergangen waren. Ich drängte mich durch die Menge und kehrte an den Tisch zurück, wo Tommy wartete. Henry hatte sich zu ihm gesetzt und trank sein gewohntes Glas Jack Daniel’s auf Eis. Seine Ellbogen ruhten auf einem großen braunen Umschlag, und ich fragte mich, ob er vorhatte, später noch zu arbeiten. Vorübergehend stieg Hoffnung in mir auf. Seine Anwesenheit würde mir zumindest irgendwelche Vertraulichkeiten ersparen.
    Ich setzte mich. »Hi, Henry. Ich habe vorhin bei dir geklopft, aber offenbar konnte ich nicht zu dir durchdringen.« Ich klang viel zu munter, aber ich konnte es nicht ändern.
    »Ich war kurz auf dem Markt, weil ich frische Petersilie für meinen Schmortopf gebraucht habe.«
    »Henrys Schmortöpfe sind legendär«, sagte ich in Tommys Richtung, obwohl ich ihm nicht in die Augen sehen konnte. Ich hob das Martiniglas, trank einen Schluck und brachte das wackelige Glas beim Absetzen wieder ins Gleichgewicht. Ich leckte mir den Wodka von der Hand, der über den Rand geschwappt war.
    Henry sah zu mir herüber, und wir wechselten einen raschen Blick. Ich wusste, was er im Schilde führte. Er wollte mich beschützen. Er hatte nicht die leiseste Absicht, mich unbeaufsichtigt Umgang mit dem Feind haben zu lassen. Er ließ die Augen nachdenklich auf sein Glas sinken und sagte: »Ach, übrigens, ich habe mich wegen dieser Angelegenheit erkundigt, nach der du mich gefragt hast.«
    »Ah«, sagte ich und dachte: Angelegenheit ? Was für eine Angelegenheit denn?
    »Du solltest es mal bei Cyril Lambrou im Klinger Building versuchen, gleich bei der Spring Street im Zentrum von Los Angeles. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, hat ihm einen Teil des antiken Schmucks ihrer Mutter verkauft. Es waren Sachen, die sie kaum je getragen hat, und sie hatte es satt, die exorbitanten Versicherungsprämien zu bezahlen.«
    Ich hatte das Gefühl, als würde ich mich von meinem Körper lösen. Es war nicht zu fassen, dass er das tat. Ich hatte Mariahs Plan eine Absage erteilt, und jetzt legte er hier den Köder aus. Henry hatte die erste Lüge seines Lebens erzählt, und das meinetwegen. Ich wusste, warum er das tat. Wenn der Name des Juweliers von ihm stammte, wie konnte man dann später mich dafür verantwortlich machen, wenn das Geschäft schief ging? Henry und Tommy hatten den vergangenen Abend gemeinsam verbracht. Sicher vertraute Tommy ihm. Jeder vertraute Henry, weil er die Wahrheit sagte und ein grundanständiger Kerl war.
    »Das kann ich nachfühlen«, erwiderte ich. »Ich zahle auch ein Vermögen für die Versicherung, dabei könnte ich das Geld gut gebrauchen.« Meine Stimme klang hohl. Ich zog meine Hand unter der von Tommy hervor, eigentlich in der Absicht, mein Glas zu heben und noch einen Schluck von meinem Martini zu trinken, doch dann merkte ich, dass ich viel zu sehr zitterte, um das Glas an die Lippen zu führen. Ich schob mir die Finger unter den Oberschenkel. Selbst durch die Jeans konnte ich spüren, wie kalt sie waren.
    Unterdessen machte Henry so gekonnt weiter wie ein mit allen Wassern gewaschener Betrüger gegenüber einem leichten Opfer. »Ich habe den Knaben selbst angerufen und ihm den Diamanten beschrieben. Er wollte sich zwar am Telefon nicht festlegen, aber er schien interessiert zu sein. Ich weiß ja, dass du den Ring nicht verschenken willst, aber du musst auch realistisch sein. Den wahren Wert kriegst du natürlich nie, aber er klingt großzügiger als so manch anderer. Ich glaube, er hätte ihn gern für seine Privatsammlung, also könnte es einen Versuch wert sein.«
    Ich versuchte mir aus seinen Angaben die Lügengeschichte zusammenzureimen, die er sich ausgedacht haben musste. Es lief darauf hinaus, dass ich den teuren Brillantring meiner Mutter besaß und Bargeld brauchte. Offenbar hatte ich ihn zu Rate gezogen, und er hatte sich umgehört. So weit, so gut, aber der Trick bei einer geschickten Lüge besteht darin, es nicht zu weit zu treiben. Ich fand, wir könnten noch ein oder zwei Runden anhängen, aber dann müssten wir zu einem anderen Thema übergehen. Wenn man eine Lüge zu breit auswalzt, kann sie einem zum Verhängnis werden.
    Mein Mund war trocken. Wie viel? Ich räusperte mich

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