Tödliche Gier
war dunkel. Fast konnte ich das Magnetfeld sehen, das sie umgab. Sie war angriffslustig, kampfbereit. Worum wurde hier gespielt? Der Mann schien einige Leute zu kennen. Locker und lässig plauderte er erst mit der einen Gruppe und dann mit der anderen, während sie sich an seinen Arm klammerte. Im Gegensatz zu ihrer vulgären Aufmachung trug er einen gut geschnittenen Anzug in konservativem Dunkelblau, dazu ein hellblaues Hemd und eine Ton-in-Ton gemusterte hellblaue Krawatte. Ich schätzte ihn auf Ende fünfzig. Er war einer dieser Männer, die sich gut halten: fit und durchtrainiert. Er musste Arzt sein. Ich konnte mir nicht denken, was er sonst um Mitternacht in Pacific Meadows zu suchen gehabt hätte, abgesehen von dem Spontansex mit Pepper Gray.
Er murmelte der Frau etwas zu, stellte sich in die Schlange vor dem Buffet und nahm sich einen Teller und ein in eine Serviette gewickeltes Besteck. Obwohl sie sich hinter ihm anstellte, sprachen sie nichts miteinander. Ich sah zu, wie er seinen Teller voll häufte, während sie sich ein Häppchen Salat und vier Stangen Spargel nahm. Er setzte sich auf den einzigen freien Platz auf der Couch, stellte sein Weinglas und den Teller auf den Couchtisch aus hellem Holz und begann zu essen. Als sie sich zu ihm setzen wollte, war kein Platz mehr frei. Sie blieb einen Augenblick stehen und hoffte offensichtlich darauf, dass er beiseite rutschen und eine Lücke für sie schaffen würde. Doch er schien sich auf sein Essen zu konzentrieren, und so sah sie sich gezwungen, ein Stück weiter weg allein auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Sie beschäftigte sich mit ihrem Teller, um ihre Verlegenheit zu überspielen, obwohl es außer mir niemand zu bemerken schien. Der Kellner kam mit einer Flasche Chardonnay vorbei. Sie sah mit scharfem Blick zu ihm auf und hielt ihm ihr Glas hin, das er großzügig füllte.
Ich spürte eine Bewegung hinter mir, und als ich aufblickte, sah ich Anica am Kopf der Treppe. Sie blieb einen Moment stehen, um über das Geländer zu spähen. Wie gewohnt war sie mit geschmackvollem Understatement gekleidet: eine langärmlige weiße Seidenbluse, eine weite schwarze Wollhose mit eingenähter Falte und schwarze Slipper aus handschuhweichem Leder. Ihr kastanienbraunes Haar war mit Schaumfestiger behandelt und türmte sich vorn in einer hohen Rolle über der Stirn, während die Seiten in langen Entenschwänzen nach hinten gekämmt waren. »Guter Sitzplatz. Haben Sie schon etwas gegessen?«
»Ich hab’s vor, wenn die Schlange sich aufgelöst hat. Ich habe mir ein paar Leute angesehen. Wer ist der Mann mit den silbergrauen Haaren und dem dunkelblauen Anzug dort auf der Couch?«
Sie folgte meinem Blick. »Das ist Harvey Broadus. Er und Joel teilen sich wohl die Honneurs. Joel und Dana sind nämlich in den Country Club gefahren, wo Fiona Hof hält. Harvey ist hierher gekommen. So kann man ihnen nicht vorwerfen, eine von beiden zu bevorzugen.«
»Wer ist die Frau in der Lederhose?«
»Celine, Harveys Frau seit über zwanzig Jahren. Er hat sie vor acht Monaten verlassen, aber jetzt ist er reumütig zu ihr zurückgekehrt.«
»Ach, genau. Crystal hat erwähnt, dass er mitten in einer ekelhaften Scheidung gesteckt hat.«
»>Hat< ist richtig. Ich vermute, die Rechnung wurde zu hoch. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass er besser damit fährt, wenn er bei ihr bleibt, statt sein ganzes Vermögen rausrücken zu müssen. Er ist ein Trottel, aber manchmal tut er mir Leid. Sie säuft wie ein Loch. Die meiste Zeit steht sie entweder kurz vor einem Aufenthalt in der Betty-Ford-Klinik oder kommt gerade dorther. Lind die restliche Zeit verbringt sie in irgendwelchen Luxusbädern — La Costa oder The Golden Door. Nur das Beste für unser Mädchen.«
»Sind verheiratete Menschen denn nie glücklich?«
»O doch. Sie sind nur nicht oft mit der Person glücklich, mit der sie verheiratet sind.« Ich sah, wie ihr Blick abschweifte. »Oh-oh. Jetzt muss ich aber nach unten. Wir sprechen uns später noch.«
Anica schlüpfte an mir vorbei und stieg die Treppe hinab. Ich blickte zur Haustür, wo Pepper Gray erschienen war. Anica hatte sie entdeckt und ging ihr entgegen. Die beiden tauschten höfliche Küsschen aus. Anica nahm ihr den Mantel ab und winkte dem Kellner, der mit seinem Tablett voller Champagnergläser in ihre Richtung schwenkte. Ohne ihre weiße Kappe und die Uniform wirkte Pepper weicher und hübscher, weniger wie eine Frau, die außereheliche erste Hilfe praktiziert. Ich
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