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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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blickte auf meinen silberhaarigen Freund herab und fragte mich, ob er sie im gleichen Moment entdeckt hatte wie ich. Pepper trat ins große Zimmer. Sie mussten sich der Gegenwart des jeweils anderen bewusst sein, aber keiner von beiden zeigte es — kein Nicken des Erken-nens, kein irgendwie gearteter Gruß.
    Celine sah auf, und ihr Körper wurde steif. Die Gabel voller Essen stockte über ihrem Teller. Anica nahm Pepper am Arm und führte sie durch die Glastür auf die Terrasse hinaus. Celines Kopf schien sich mitzudrehen, und ihr Blick war glasig und starr. Sie beobachtete Pepper mit der gleichen Vorsicht wie ein Kaninchen einen Fuchs in Sichtweite. Entweder wusste sie, dass ihr Mann fremdging, oder ihr Radar war phänomenal. Vermutlich ein bisschen von beidem. Es gehörte nicht viel dazu, sich auszumalen, wie die Dynamik funktionierte. Er betrog sie als Ausgleich dafür, dass sie zu viel trank, und sie trank zu viel, um sich darüber hinwegzutrösten, dass er sie betrog. Vor meinen Augen stand sie auf und verließ den Raum.
    Ich wartete auf der Treppe, bis die Desserts am einen Ende des Tischs aufgestellt worden waren, und reihte mich dann in die Schlange am Buffet ein, die beträchtlich geschrumpft war. Ich war zwar nicht besonders hungrig, aber gerade war ein Platz neben Harvey Broadus frei geworden, und das wollte ich ausnutzen. Hastig belud ich meinen Teller und ging zur Couch hinüber. Er sah auf, als ich mich näherte. Schöne blaue Augen.
    »Sitzt hier jemand?«
    »Nein, nur zu. Ich hole mir gleich Nachtisch, dann können Sie auf meinen Platz aufpassen.«
    »Klar, kein Problem.«
    Während er weg war, kam eine Frau in Partyservice-Uniform und sammelte stehen gelassene Teller ein. Ich konzentrierte mich auf das Essen, das wirklich fantastisch war, und aß mit der gewohnten animalischen Hingabe, wobei ich mir Mühe gab, nicht zu schnüffeln, zu rülpsen oder mich zu bekleckern. Broadus kehrte mit seinem Dessertteller und einem frischen Glas Wein zurück. »Ich dachte mir, den könnten Sie vielleicht brauchen«, sagte er und stellte den Wein neben mir auf den Couchtisch.
    »Danke. Ich wollte mich schon auf die Suche nach dem Mann mit dem Chardonnay machen.«
    Broadus hielt mir die Hand hin. »Harvey Broadus.«
    »Kinsey Millhone«, sagte ich, und wir schüttelten uns die Hände. Ich musterte seine Nachtischauswahl: ein Brownie, ein Stück frischer Obstkuchen und ein dickes Stück Kokosnusstorte. »Sieht ja gut aus.«
    »Ich habe eine Schwäche für Süßes.« Er setzte sich wieder, balancierte den Teller auf einem Knie und fing mit der Kokosnusstorte an. »Ich habe Sie vorhin schon gesehen, als Sie auf der Treppe saßen.«
    »Ich mag keine großen Partys, und außerdem kenne ich keinen Menschen. Und Sie? Sind Sie mit Crystal oder mit Dow befreundet?«
    »Mit beiden. Ich hatte geschäftlich mit Dow zu tun.«
    »Pacific Meadows?«
    »Genau. Und was machen Sie beruflich?« Er ging zu dem Brownie über und machte kurzen Prozess damit.
    »In erster Linie Recherchen«, antwortete ich. Ich nahm einen großen Bissen von meinem Brötchen, damit ich das nicht weiter ausführen musste.
    »Ein trauriger Tag«, sagte er. »Das mit Dow geht mir furchtbar nahe, obwohl es mich nicht gewundert hat. Er war entsetzlich beklommen und deprimiert in den Wochen vor seinem Verschwinden.«
    Na prima. Bei der Trauerfeier über den Toten tratschen. Wie spaßig. »Der arme Mann«, sagte ich. »Weswegen denn?«
    »Das möchte ich nicht näher erläutern... sagen wir einfach, er hat das Pflegeheim in einem chaotischen Zustand hinterlassen.«
    »Davon hat mir jemand erzählt. Es hatte irgendwas mit Medi-care zu tun, oder?« Ich aß eine Gabel voll Salat, während er sich über den Obstkuchen hermachte.
    »Davon haben Sie gehört?«
    Ich nickte. »Aus verschiedenen Quellen.«
    »Dann hat es sich wohl herumgesprochen. Sehr bedauerlich.«
    »Was steckt denn dahinter?«
    »Wir nehmen an, es war ein gutgläubiger Irrtum, aber genau erfahren wir es womöglich nie.«
    »Ärzte können manchmal richtige Trottel sein, wenn’s ums Geschäftliche geht«, sagte ich, indem ich Penelope Delacorte nachäffte.
    »Wem sagen Sie das. Wir waren schockiert.«
    »Ich verstehe nur nicht, was sich abgespielt hat. Ich meine, soweit ich es begriffen habe, stellt das Pflegeheim seine Rechnungen gar nicht selbst. Ich dachte, es gäbe eine Betreibergesellschaft, die das erledigt.«
    Er nickte. »Genesis Financial Management Services. Sie haben ihr Büro in der Stadt.

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