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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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munteren Oberschwester, die ihm zu Diensten war.
    Ich kehrte noch einmal zur Karte von Tina Bart zurück. Wohin war sie gegangen? Penelope Delacorte wusste es mit Sicherheit, aber sie würde es mir nicht verraten. Aus einem Impuls heraus bückte ich mich, zog die unterste Schublade auf, holte das Telefonbuch hervor und schlug es bei den Bs auf. Im Zweifelsfall, sagte ich mir, kann man doch ebenso gut mit dem Nächstliegenden anfangen. Fünf Barts waren vermerkt, aber weder eine Tina noch ein T. Es gab einen Eintrag ohne Adresse für C. Bart, möglicherweise die Abkürzung für Christine oder Christina. Allein stehende Frauen lassen sich oft mit solchen Namenskürzeln eintragen, um die wüsten Stöhner abzuwehren, die willkürlich irgendwelche Nummern wählen, während sie an ihren Hosen zupfen. Ich steckte das Telefon wieder ein und wählte die unter C. Bart angegebene Nummer. Nach dem zweiten Klingeln schaltete sich ein Anrufbeantworter ein. Die Stimme am anderen Ende gehörte zu einem dieser mechanischen Butler, einem computergenerierten Roboter, der sprach, als hauste er in einer Blechbüchse. »Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.« Die Verwendung dieses Pseudomannes war ein weiteres bei weiblichen Singles beliebtes Hilfsmittel, da sich damit die Illusion erzeugen lässt, es sei ein Mann im Haus. Ich griff nach dem Polk-Verzeichnis und suchte nach der unter C. Bart verzeichneten Telefonnummer. Das Polk-Verzeichnis, auch als »das Kreuzundquer« bekannt, listet Adressen und Telefonnummern auf zwei verschiedene Arten auf. Im Gegensatz zum altbekannten Telefonbuch, das seine Daten alphabetisch nach Namen sortiert hat, enthält das Kreuzundquer einen Teil, in dem alles nach Straßen, und einen zweiten, in dem alles nach Nummern geordnet ist. Wenn Sie also nur eine Telefonnummer ohne Adresse haben, können Sie die Nummer im Polk nachschlagen, und schon finden Sie die dazugehörige Straße und Hausnummer sowie den Namen desjenigen, der dort wohnt. Und wenn Sie nur eine Adresse haben, können Sie den Namen des Bewohners mitsamt der Telefonnummer erfahren — vorausgesetzt, die Nummer ist nicht geheim. In diesem Fall fand ich C. Bart unter einer Adresse in der Dave Levine Street, nicht weit von Pacific Meadows. Penelope Delacorte hatte mir gesagt, dass Tina Bart bereits in Pacific Meadows gearbeitet hatte, als sie dort anfing. Es war höchste Zeit herauszufinden, wie viel sie wusste.
    Bevor ich die Wohnung verließ, suchte ich meine alte Pistole heraus und steckte sie in meine Umhängetasche. Es ist eine Davis .32 Halbautomatik mit einem 13,3 Zentimeter langen Rohr, geladen mit Winchester Silvertips. In den letzten drei Jahren habe ich mir jede Menge Stuss über diese Schusswaffe anhören müssen, von der es ständig heißt, sie sei billig und unzuverlässig — ein Urteil, das meine dauerhafte Zuneigung zu dem guten Stück nicht geschmälert hat. Sie ist klein und griffig, wiegt praktische 625 Gramm und liegt mir gut in der Hand. Ich glaubte zwar nicht, dass Richard oder Tommy mir tatsächlich auf den Pelz rücken würden, aber sicher konnte ich mir da nicht sein. Und genau das gehörte natürlich zum Wesen des Spiels, das sie spielten.

22

    Es war kurz vor fünf, als ich auf der 101 in Richtung Norden fuhr. Das Nachmittagslicht war schon fast geschwunden. Nieselregen wirbelte durch den fließenden Verkehr wie Dampf, und die Scheibenwischer erzeugten an den Stellen, wo sich die Feuchtigkeit aufs Glas legte und wieder weggewischt wurde, einen fächerförmigen Schmierfilm. Die Dave Levine ist eine Einbahnstraße, die auf den Ortskern zuführt, und so war ich gezwungen, die Ausfahrt Missile zu nehmen und links auf die Chapel einzubiegen. Ich bog ab und stieß an einem höher gelegenen Punkt auf die Straße, die ich von dort aus hinunterfuhr. Ich passierte Pacific Meadows zur Rechten und begann die absteigenden Hausnummern zu mustern. Das Haus, das ich suchte, lag nur einen Block entfernt. Ich fand einen Parkplatz auf der Straße und ging zu Fuß weiter, wobei ich gegen den Nieselregen die Schultern hochzog.
    Das Haus war ein einfacher Steinquader mit insgesamt vier Wohneinheiten, zwei oben und zwei unten. In der Mitte führte eine Außentreppe in den ersten Stock. Wohnung i lag zu meiner Rechten und Wohnung 2 direkt gegenüber. Der Name Bart war mit dickem schwarzem Filzstift auf ein Schild geschrieben worden, das am Briefkasten von Wohnung 3 klebte. Ich stieg zehn Stufen hinauf und betrachtete die Fenster im ersten

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