Tödliche Gier
haben Sie nicht gekündigt und sich eine andere Stelle gesucht?«
»Ich habe die Arbeit geliebt.«
»Sie hätten die gleiche Arbeit auch woanders lieben können, oder nicht?«
»Stimmt, aber ich wurde stur. Ich dachte mir, eines Tages würden sie Schiffbruch erleiden, und dann könnte ich daneben stehen und zusehen und ihren Untergang vielleicht noch beschleunigen.«
»Hat sich irgendetwas geändert, als Dr. Purcell auf den Plan getreten ist?«
»In den ersten Monaten nicht. Dann bemerkte ich eine Zunahme der Belege für Sachen wie Krankenfahrten und Physiotherapie, mobile Röntgengeräte und Rollstühle. Ich fing an, mir Notizen zu machen, und dann habe ich einen Aktenvermerk an Mr. Harrington geschrieben, den Chef der Rechnungsabteilung von Genesis. Das war ein Fehler, wie sich später herausstellte, aber das war mir egal. Er hat es zwar nie explizit gesagt, aber ich bin mir sicher, dass ihm meine Bemühungen nicht recht waren, weil er dadurch in Verlegenheit kam.«
»Sie waren eine richtige Unruhestifterin.«
»Das will ich schwer hoffen.«
»Man hatte also schon vor der Buchprüfung etwas gegen Sie.«
Sie nickte und antwortete. »Und wie. Sie ließen ein bisschen Zeit verstreichen, und dann haben sie mich rausgeworfen. Dr. Purcell hat versucht zu intervenieren, aber er hatte keine Macht und wurde überstimmt. Penelope war empört und hat beleidigt gekündigt, was ihnen im Grunde zugute kam. Dadurch sah es so aus, als hätten wir Dreck am Stecken und Genesis würde für Ordnung im Haus sorgen. Und sie hatten immer noch Dr. Purcell als Sündenbock, falls die Ermittlungen der MFCU weiter gehen sollten...«
»Was sie ja auch taten.«
»Oh, allerdings. Sie hören auch nicht auf, bis sie die Schuldigen überführt haben.«
»Soweit ich mich erinnere, hat mir Joel erzählt, dass Genesis zu einer Gruppe namens Millenium Health Care gehört.«
»Schon, aber ich vermute, dass manche, wenn nicht alle dieser Firmen Scheinfirmen sind, die nur gegründet wurden, um zu verschleiern, wer die wahren Besitzer sind.«
»Wie soll das laufen?«
»Firma A, im Besitz von Mr. Smith, kauft ein Altenpflegeheim. Smith gründet eine Scheinfirma mit Führungskräften, die scheinbar nichts mit ihm zu tun haben. Seine Firma, A, verkauft die Einrichtung zu einem extrem überhöhten Preis an diese zweite Firma — die gleichfalls ihm gehört — , wodurch die Profite auf lukrative Weise in Veräußerungsgewinne umgewandelt werden...«
»Die zu einem niedrigeren Steuersatz veranschlagt werden«, warf ich ein.
»Genau. Die zweite Firma kann den aufgeblähten Wert der neu gekauften Einrichtung als Sicherheit für neue Kredite nutzen. Unterdessen kommt Schwindelfirma C daher und pachtet Haus und Gelände mit enorm gesteigerten Mieteinnahmen vom >neuen< Besitzer.«
Ich hielt eine Hand in die Höhe. »Einen Moment bitte.« Ich ließ mir alles chronologisch noch einmal durch den Kopf gehen und versuchte, darauf zu kommen, was mich hatte stutzen lassen, während sie mir die Abläufe geschildert hatte. Es war nichts gewesen, was sie gesagt hatte, sondern etwas, was ich mich fragte, seit ich vor ihrer Tür angelangt war. »Dr. Purcell hat Pacific Meadows an dem Abend, als er verschwunden ist, um neun Uhr verlassen. Ist er vielleicht zufällig noch bei Ihnen vorbeigekommen, um ein bisschen zu plaudern?«
Sie schwieg so lange, dass ich schon fürchtete, sie werde mir überhaupt nicht antworten. »Ja.«
»Worüber?«
»Er hat mir erzählt, dass er einen Termin beim FBI habe. Er glaubte zu wissen, was vor sich ging und wer dahinter steckte, nämlich Harvey und Joel.«
»Aber diese beiden wären doch nicht in Gefahr gewesen, oder? Ich meine, nach allem, was ich gehört habe, hatten sie mit dem Alltagsgeschäft in Pacific Meadows nichts zu tun. Der eigentliche Schwindel muss von Genesis ausgegangen sein, da die Medicare-Schecks ja dorthin gesandt wurden.«
»Vielleicht war die Verbindung enger, als Sie glauben. Dr. Purcell muss gierig geworden sein, denn er fing an, Rechnungsposten abzusegnen, von denen er wusste, dass sie betrügerisch waren: unter anderem Röntgenuntersuchungen und Krankenfahrten. Vermutlich hat er dafür Bestechungsgelder angenommen. Das FBI hat ihn unter Druck gesetzt, und deshalb hat er eingewilligt, auszusagen.«
»Aber was hätte es für einen Sinn gehabt, ihn zum Schweigen zu bringen? Es muss doch jede Menge andere Leute geben, die über die Betrügereien Bescheid wussten. Sie zum Beispiel.«
»Ich habe nie
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