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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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erst einer Woche gemietet hatte. Der Parkplatz stand leer: keine Spur von Tommys Pick-up oder seinem kleinen roten Porsche. Die oberen Fensterläden auf der rechten Seite des zweistöckigen Gebäudes standen offen, aber die unteren waren zu. Ich sah einen Schatten durch das Licht gehen. Vielleicht zeigte Richard das Büro einem neuen Interessenten.
    Ich wandte mich ab, da ich wusste, dass es für mich passé war. Was geschehen war, war geschehen, und es hatte keinen Sinn, nun Reuegefühle zu entwickeln. Ich schätzte mich glücklich, dass Mariah Talbot seinerzeit aufgetaucht war. Sonst wäre ich jetzt Mieterin bei zwei eiskalten Killern. Ich überquerte Lonnies Grundstück und stieg die Treppen zum zweiten Stock hinauf. Die Räume der Anwaltskanzlei waren erleuchtet, aber leer. Ich ging den stillen Innenkorridor entlang und schloss die Tür zu meinem Büro auf.
    Ich trat an den Schreibtisch, zog die untere Schublade auf und nahm zwei Päckchen neue Karteikarten heraus, die noch in ihrer Cellophanhülle steckten. Ich machte eines auf und begann die Notizen zu übertragen. Die nächste Stunde fühlte ich mich sicher, in meine Arbeit vertieft. Um Viertel nach sieben schlang ich ein Gummiband um die Notizkarten und steckte sie zusammen mit dem ungeöffneten Päckchen ein.
    Ich schloss das Büro ab, ging wieder hinaus und trottete die Treppe hinab. An der ersten Biegung spähte ich durch die Öffnung im Treppenschacht. Es ist kein Fenster im eigentlichen Sinne, sondern nur ein Schlitz von dreißig Zentimetern Breite und vielleicht sechzig Zentimetern Höhe, der zur Belüftung beitragen soll. Aus dem ersten Stock konnte ich ungehindert über die Gasse hinweg auf die Rückseite des Hevener-Hauses blicken. Jetzt stand die Hintertür weit offen. In dem Büro zur Rechten (das ich nach wie vor als meines betrachtete), waren die Fensterläden geöffnet worden. Es brannte Licht, doch das Fenster gab nur den Blick auf unbewohnten Raum frei. Etwas kam mir komisch vor, doch ich war mir nicht ganz sicher, was es war. Vielleicht war jemand kurz hinausgegangen und hatte aus Bequemlichkeit die Hintertür offen gelassen. Was auch immer es war, ich hatte nicht die Absicht, dort hinüberzugehen und herumzuschnüffeln.
    Ich stieg die Treppe ganz hinab und überquerte den kleinen Parkplatz, bis ich an meinem Auto anlangte. Auf dem Nachhauseweg machte ich einen Abstecher zum Supermarkt und kaufte Toilettenpapier, Wein, Milch, Brot, Eier, Kleenex und einen großen Stapel gefrorene Fertigmahlzeiten. In meinem Viertel angekommen, sah ich mich gezwungen, anderthalb Blocks weit weg zu parken, was mich maßlos ärgerte. Mit der Tasche und zwei Tüten voller Lebensmittel war es ein Kampf, das Gartentor aufzuschließen. Auf halbem Weg über den Innenhof nahm ich eine schnelle Bewegung zu meiner Rechten wahr, und jemand trat aus der Dunkelheit. Ich machte einen Satz und konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken, während ich eine Einkaufstüte fallen ließ und die andere umklammerte. Vor mir stand Tommy Hevener mit den Händen in den Taschen seines Regenmantels. »Hey.«
    »Verdammt noch mal! Lassen Sie das! Was wollen Sie hier?«
    »Mit dir reden.«
    »Ich will nicht reden. Und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg.« Ich bückte mich, um meine Schlüssel aufzuheben. Eine Tüte war aufgerissen. Ich warf die Sachen nacheinander in die andere Tüte. Die Hälfte der Eier in der Schachtel war zerbrochen, und das Brot war platt gequetscht, nachdem ich voller Hast danach gegriffen hatte. Es war mir ein Rätsel, wie ich es mit den Sachen in den Armen in die Wohnung schaffen sollte. »Ach, was soll’s«, sagte ich. Ich umfasste die Schlüssel und ging auf meine Tür zu, wohl wissend, dass Tommy sich mir in den Weg stellen würde. Er streckte einen Arm aus, legte die Hand flach auf die Tür und drängte seinen Körper gegen meinen.
    Ich wandte das Gesicht ab und versuchte, den Körperkontakt zu vermeiden. »Lassen Sie mich in Ruhe.« Ich dachte an meine Pistole.
    »Erst, wenn du mir sagst, was los ist.«
    »Wenn Sie mir nicht aus dem Weg gehen, schreie ich.«
    »Du schreist nicht«, murmelte er.
    »Henry!«
    »Schh!«
    »Henry!«
    Das Licht hinten an Henrys Haus ging an. Ich sah sein Gesicht in der Tür erscheinen.
    »Hilfe!«
    »Miststück«, fauchte Tommy.
    Henry kam mit einem Baseballschläger aus der Hintertür. Tommy warf ihm einen Blick zu und ging gemächlichen Schrittes davon, um seine Verachtung zu demonstrieren und zu zeigen, dass er sich nicht

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