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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Hintergrund konnte ich Kraftmaschinen klirren hören. Die sonntäglichen Unentwegten. »Hi, Keith. Hier ist Kinsey Millhone. Als ich letzte Woche da war, habe ich Sie doch nach Clint Augustine gefragt. Wissen Sie zufällig seine private Adresse und Telefonnummer? Ich habe mir überlegt, dass ein persönlicher Trainer zur Abwechslung mal ganz nett wäre.«
    »Mal sehen, was ich habe. Moment bitte.« Ich hörte, wie er eine Schublade aufzog und dann den abgewetzten Dreiloch-Ordner durchblätterte, den ich zu anderen Gelegenheiten schon gesehen hatte. »Ich weiß, dass sie hier irgendwo sein muss. Da ist sie ja.«
    Ich notierte alles, was er mir diktierte. Dabei fiel mir auf, dass die Adresse die Gleiche war wie die der Glazers in Horton Ravine. »Wie aktuell ist denn das? Mir hat jemand erzählt, er würde in der Nähe vom St. Terry’s in der Bay Street wohnen.«
    »Glaub ich nicht. Zumindest habe ich das noch nie gehört.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesprochen? Vielleicht ist er ja umgezogen.«
    »Das ist schon Monate her. Vielleicht im Februar, März, die Drehe rum. Er ist regelmäßig hierher gekommen, etwa acht- oder zehnmal die Woche, aber vielleicht hat er ja mit seinen Klienten in ein anderes Studio gewechselt. Falls er nicht mehr im Geschäft ist, sagen Sie mir bitte Bescheid, dann kann ich seinen Namen aus den Büchern streichen. Ich kenne noch andere gute Trainer, falls er nicht mehr aktiv ist.«
    »Gut. Vielen Dank auch.«
    Ich zog das Kreuzundquer aus dem Regal und blätterte, bis ich die Bay Street gefunden hatte. Mit dem Finger fuhr ich die Hausnummern entlang, bis ich zu der betreffenden Adresse kam. Ich hatte gehofft, dass Fiona sich irrte, doch der eingetragene Teilnehmer hieß J. Augustine, obwohl die Telefonnummer eine andere war als die, die mir Keith genannt hatte. Ich wählte die von Keith angegebene Nummer und vernahm per Bandansage, dass der Anschluss nicht existierte. Wenig erstaunlich. Das musste Clints Telefonnummer gewesen sein, solange er im Gästehaus auf dem Anwesen der Glazers gelebt hatte. Keiths Informationen waren eindeutig überholt. Ich stellte das Verzeichnis wieder ins Regal. Nicht zu fassen, dass Crystal am Tag von Dows Trauerfeier Clint aufgesucht haben sollte. Ich griff erneut zum Telefon und wählte die Nummer des Hauses in der Bay Street.
    Der Mann, der sich am anderen Ende meldete, hatte eine Art, die ans Rüpelhafte grenzte. »Ja?« Seine Stimme war barsch und voller Ungeduld.
    »Könnte ich Clint sprechen?«
    »Er kann nicht ans Telefon kommen. Wer ist da?«
    »Tut nichts zur Sache. Ich versuch’s später noch mal.«

    Das Haus in der Bay Street war ein alter viktorianischer Bau, der vermutlich Ende des neunzehnten Jahrhunderts errichtet worden war: zwei Etagen weißen Fachwerks mit einer breiten Veranda, die sich über die ganze Vorderseite erstreckte. In diesem Viertel waren viele Einfamilienhäuser zu medizinischen Dienstleistungszentren umfunktioniert worden, die der einen halben Block entfernt gelegenen Klinik zuarbeiteten. Crystals Volvo stand nicht in der Einfahrt. Ein weißer Lattenzaun umgab den Vorgarten, der klein, graslos und dicht mit Rosensträuchern bepflanzt war, die momentan zu Büscheln dorniger Zweige beschnitten waren. Ich konnte mir ausmalen, dass die Rosen in voller Blüte so schwer und süß wie ein Potpourri duften würden. Das Erdreich war dunkel getränkt vom Regen, der mittlerweile als zarter Schleier vom Himmel fiel.
    Ich passierte das Haus, wendete an der Ecke und kehrte zurück. Dann parkte ich auf der anderen Straßenseite und richtete mich auf längeres Warten ein. Die Besuchszeit im St. Terry’s begänne so richtig erst in einer Stunde, daher waren die Straßen nahezu menschenleer. Selbst von einem milchigen Regenvorhang abgeschirmt, kam ich mir noch auffällig vor, wie ich da ganz allein im Auto saß. Das hier war keine Überwachung — es war eher ein Einsatz im Kampf zwischen Dows Frauen. Ich wollte nicht an Crystal denken, deren Männergeschichten eine Abfolge von Katastrophen gewesen war. Von einem war sie geschwängert und offenbar anschließend mit dem Kind sitzen gelassen worden. Dann hatte sie einen Ehemann gehabt, der sie misshandelt hatte, und einen zweiten, der nach außen hin ach so ehrenwert gewirkt hatte, aber in Wirklichkeit zu viel trank und im Bett merkwürdige Wünsche äußerte. Clint war Anfang vierzig, ein attraktiver Mann, hünenhaft und gut gebaut. Er machte zwar keinen besonders intelligenten Eindruck, aber

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