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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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haben Krafttraining gemacht. Ende der Aussage. Zwischen uns war nie etwas Sexuelles. Fragen Sie ihn, wenn Sie mir nicht glauben. Ich warte gerne hier draußen.«
    »Was würde das schon beweisen? Sicher ist er ein Kavalier, der genießt und schweigt.«
    »Haben Sie denn keine männlichen Freunde? Muss alles, was sich zwischen einer Frau und einem Mann abspielt, sexuell sein?«
    »Ich habe nicht behauptet, dass Sie irgendetwas Unrechtes getan hätten. Ich sage Ihnen nur, welchen Eindruck es macht. Es wurde eben getratscht. Fiona hat Ihren Wagen gestern hier gesehen, und heute sind Sie wieder da.«
    Sie starrte mich kurz an und schien dann eine Entscheidung zu treffen. »Möchten Sie nicht mit hereinkommen? Dann kann ich Sie richtig miteinander bekannt machen.«
    »Warum sollte ich?«
    »Warum nicht? Jetzt sind Sie schon da. Übrigens habe ich Dows Pass gefunden, als ich seine Kleider sortiert habe. Er steckte noch in der Brusttasche des Mantels, den er getragen hat, als wir letzten Herbst nach Europa geflogen sind.«
    »Tja, damit bleibt eine Frage weniger. Sind das seine?«, fragte ich und wies auf die Hemden.
    »Ist doch besser, wenn noch jemand einen Nutzen daran hat.«
    Sie schloss die Haustür auf, wie ich bemerkte, mit einem Schlüssel von ihrem eigenen Bund. Sie stieß die Tür auf und trat beiseite, damit ich an ihr vorbei ins Haus gehen konnte. Ich weiß nicht, warum ich verlegen war, aber ich war es.
    Das Wohnzimmer war wie ein altmodischer Salon eingerichtet, mit einem Sofa mit geschwungener Rückenlehne, mehreren Tischchen und ein paar Queen-Anne-Stühlen. Auf jedem Möbelstück lag ein handgehäkeltes Deckchen, das vor Schmutz und Fettflecken schützen sollte. Es gab eine Standuhr und massenhaft Nippes. Milchglas, Cranberry-Glas, Steubenglas, Lladró, gerahmte Fotos von lange verstorbenen Familienmitgliedern. Crystal würdigte den Raum kaum eines Blickes, sondern ging den Flur entlang und durch die Küche auf eine verglaste Veranda. Clint saß in einem Fernsehsessel und sah in den Garten hinaus. Sie legte den Hemdenstapel auf ein kleines Holztischchen neben ihn und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Kopf. »Ich habe dir ein paar Hemden mitgebracht und eine Bekannte. Erinnerst du dich an Kinsey? Sie ist Mitglied in deinem Fitnessstudio.«
    Zuerst dachte ich: Das ist nicht Clint, Irrtum, das muss jemand anders sein. Doch er war es. An was für einem Gebrechen er auch litt, er war jedenfalls völlig zusammengesunken. Er litt an Kontrakturen in den Händen und einer so ausgeprägten Muskel-schwäche, dass er den Kopf kaum bewegen konnte. Er hatte massiv an Gewicht verloren. Seine Augenhöhlen waren geschwollen und rot-lila verfärbt, als hätte man ihm Boxhiebe versetzt. An Stirn und Unterarmen waren Hautschäden zu erkennen. Alles andere blendete ich aus. Durchs Fenster konnte ich einen stämmigen alten Mann im Garten arbeiten sehen. Er war gerade dabei, ein paar Ranken festzubinden. Vermutlich war es Clints Vater, der Mann, der sich am Telefon gemeldet hatte.
    Crystal sagte gerade: »Wir sind uns zufällig begegnet, und sie hat nach dir gefragt.«
    »Wie geht’s?«, sagte ich und kam mir wie ein Vollidiot vor. Es ging ihm eindeutig schlecht, und das womöglich für immer.
    »Clint hat eine systemische Bindegewebskrankheit namens Dermatomyositis. Sehr schlimm in seinem Fall. Es könnte eine Autoimmunreaktion sein, aber das weiß niemand so genau. Es zieht sich schon seit — wann? — Ende Januar hin, stimmt’s?« Sie richtete ihre Kommentare an ihn, als erwarte sie Bestätigung. »Die Ärzte hatten gehofft, es werde sich eine Besserung einstellen, und da schien es ratsam, dass er sich zurückzieht.«
    »Hatte er deshalb das Gästehaus der Glazers gemietet?«
    »Genau. Ich wollte ihn in der Nähe haben, damit ich mich um ihn kümmern kann. Nachdem der Mietvertrag auslief, schien es das Beste zu sein, ihn eine Zeit lang bei seinen Eltern einzuquartieren.« Sie beugte sich näher zu ihm. »Wo ist denn deine Mutter? Ist sie weggegangen?«
    Clints Antwort kam genuschelt, doch sie schien ihn zu verstehen, vermutlich, weil sie seine ungenauer werdenden Sprachlau-te in den letzten zehn Monaten verfolgt hatte.
    »Warum haben Sie den Leuten nicht gesagt, was los ist?«
    »Clint hat mich gebeten, es nicht zu tun, und ich habe seine Bitte respektiert. Wo Sie jetzt ohnehin herumschnüffeln, wollen Sie da noch was anderes wissen?«
    »Ich werde es Fiona sagen müssen.«
    »Natürlich«, sagte sie. »Dafür bezahlt

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