Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
noch einen Schritt zurückgehen und Sie zumindest oberflächlich darüber aufklären, wie dieses Geschäft läuft. Im Grunde haben wir es nämlich mit drei getrennten Einheiten zu tun. Harvey und mir gehört das Anwesen über Century Comprehensive, eine Firma, die wir 1971 gegründet haben. Mit Anwesen meine ich jetzt den Grund und das Haus, in dem Pacific Meadows untergebracht ist. Das Pflegeheim wird, wie ich schon erwähnt habe, von Genesis betrieben. Sie haben die Gebäude von uns gemietet. Außerdem erledigen sie die gesamte Abrechnung: Verbindlichkeiten und Außenstände, das Ausstellen von Rechnungen an Medicare und Medicaid sowie DME-Ankäufe — das sind langlebige medizinische Gebrauchsgüter, falls Sie sich fragen. Genesis agiert unter einer Dachgesellschaft namens Millennium Health Care. Millennium ist in staatlichem Besitz und daher gesetzlich verpflichtet, Informationen über finanzielle Angelegenheiten an die Sozialversicherung weiterzugeben. Damit meine ich Aufstellungen der Aktiva, Verbindlichkeiten und die Rendite aus Eigenkapital. Ein staatlich geprüfter Buchhalter muss diese Zahlen überprüfen. Vor zehn, fünfzehn Jahren befanden sich Eigentümer und Betreiber oft noch in Personalunion, aber die Zeiten haben sich geändert. Von Gesetzes wegen müssen diese Funktionen jetzt klar getrennt sein. Es ist wie ein gegenseitiges Kontrollsystem, und alle bleiben anständig und ehrlich.«
    »Und wo stand dabei Dr. Purcell?«
    »Ich komme gleich auf ihn zu sprechen. Unter der Betreibergesellschaft steht Dow — oder wer eben seinen Posten einnimmt. Er ist für die medizinische Verwaltung der Einrichtung verantwortlich, für die alltäglichen praktischen Entscheidungen. Und genau da ist er womöglich in die Bredouille geraten.«
    »Sie sind alle drei Geschäftspartner?«
    »Eigentlich nicht. Dow spricht zwar so von uns, aber im Grunde stimmt es nicht. Für Laien ist es die einfachste Erklärung für unser Verhältnis. Aber wir könnten gar keine Partnerschaft mit Dow oder der Betreibergesellschaft eingehen, der die Einrichtung untersteht. Glauben Sie mir, die Regierung reagiert ziemlich sauer auf jede Abmachung, die nicht das Ergebnis ellenlanger Verhandlungen ist — anders ausgedrückt müssen es zwei separate Parteien sein, die keine geheimen Absprachen miteinander treffen. Dow könnte ja wohl kaum unvoreingenommene Entscheidungen über Abrechnungsmodalitäten treffen, wenn er selbst davon profitieren würde. Worauf Sie vermutlich hinauswollen, ist die Tatsache, dass er Anteile an Millennium Health Care gekauft hat, einer Kette, von der wir auch Aktien halten. Das macht uns natürlich in gewisser Weise zu Partnern. Wir sind alle in derselben Branche, nämlich dem Dienst an den Senioren in unserer Gemeinde. Freilich hatten wir kein wirkliches Mitspracherecht in der Sache, aber Harvey und ich dachten beide, Pacific Meadows wäre die ideale Wirkungsstätte für einen Mann mit Dows Erfahrung und Renommee. Jetzt wird mir klar, dass er vielleicht doch keinen ganz so guten Sinn fürs Geschäftliche hatte, wie ich zuvor angenommen hatte. Das erste Mal haben wir letzten Mai von dieser Geschichte mit Medicare gehört. Damals dachte ich — und ich bin nach wie vor davon überzeugt — , dass sich sämtliche Unstimmigkeiten als simple Irrtümer der Buchhaltung entpuppen würden, eine Häufung von Übertragungsfehlern, kein bewusstes Aufblähen der Zahlen in betrügerischer Absicht. Dow Purcell ist ein zu anständiger Mann, um sich zu solchen Gaunereien hinreißen zu lassen. Meine Vermutung geht eher dahin, dass er sich entweder nicht ganz darüber im Klaren war, wie Medicaid funktioniert, oder ihm gegenüber all diesem kleinkrämerischen Unsinn, den einem die Bürokratie aufhalst, der Geduldsfaden gerissen ist. Das kann ich ihm nicht zum Vorwurf machen. Als Arzt gilt sein erster Gedanke natürlich stets dem Wohlbefinden seiner Patienten. Vielleicht hat er rebelliert, als er den unsinnigen Aufwand an Papierkrieg sah, der erstklassige Pflege behinderte, oder schlimmer noch, vielleicht war er der Meinung, die Regierung hätte nicht das Recht, ihm Vorschriften zu machen.«
    »Sie glauben also, er könnte die Vorschriften ein wenig zu lax ausgelegt haben?«
    »Jedenfalls ist mir diese Erklärung lieber als die, die der Ermittler von der Kontrollbehörde offenbar vorzieht. Noch nahe liegender wäre, dass er leichtsinnig war und Rechnungen unterzeichnet hat, die er genauer unter die Lupe hätte nehmen sollen. Die

Weitere Kostenlose Bücher