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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Dampf und Nebel. Ich widmete mich meinen gewohnten morgendlichen Verrichtungen, darunter ein so dynamischer Dauerlauf, dass ich hinterher rote Wangen hatte und schwitzte. Nach dem Frühstück arbeitete ich eine Zeit lang zu Hause und gab meinem Bericht für Fiona den letzten Schliff. Vielleicht würden ja all diese ordentlich getippten Seiten vor ihren Augen als Fortschritt bestehen können. Dies war eines der wenigen Male in meinem Leben, wo ich für möglich hielt, dass ich scheitern könnte, und ich hatte Angst. Ich sah Fionas Rückkehr mit der gleichen Begeisterung entgegen, mit der ich als Kind auf meine alljährliche Typhusimpfung gewartet hatte.
    Fünf Minuten nach halb zehn verließ ich die Wohnung. Da sich der Sturm vorübergehend gelegt hatte, waren breite Streifen blauen Himmels zwischen den Wolken aufgetaucht. Das Gras leuchtete auf einmal smaragdgrün, und die Blätter an sämtlichen Bäumen waren glänzend und frisch. Mein Termin bei Dow Purcells bestem Freund Jacob Trigg war für zehn Uhr vereinbart. Ich hatte einen Stadtplan studiert und seine Adresse in Horton Ravine ausfindig gemacht. Ich fuhr auf dem Cabana Boulevard nach Osten und den Hügel hinauf, der sich vom Strand ins Inland zog. Dann bog ich nach links in den Promontory Drive ein und folgte ihm die Steilküste entlang, die parallel zum Strand verlief. Schließlich bog ich erneut links ab und fuhr durch die Hintereinfahrt nach Horton Ravine hinein. Tommy kam mir in den Sinn, und ich lächelte mit einem dämlichen Strahlen im Gesicht, das mir selbst peinlich war.
    Anderthalb Kilometer weiter entdeckte ich die Straße, die ich suchte. Ich bog in einem Gewirr kurviger Straßen nach rechts ab und fuhr den Hügel hinauf. Wasser rauschte wie ein Sturzbach den Straßenrand hinab, und Geröllstreifen, die sich wie komplette Kieswege ausnahmen, waren auf die Straße gespült worden. Ein Baum mit flachen Wurzeln war umgekippt und hatte einen Halbmond aus Erde mitgerissen. Trotz der zahlreichen Häuser in der Umgebung beeilte sich Mutter Natur nach Kräften, ihr Territorium zurückzuerobern.
    Ich spähte nach rechts, um im Vorbeifahren die Nummern auf den Briefkästen abzulesen. Schließlich entdeckte ich die Hausnummer, die mir Jacob Trigg gegeben hatte. Die riesigen Tore aus schwarzem Schmiedeeisen standen offen, und ich fuhr einen gewundenen Weg zwischen niedrigen Steinmauern bergauf. Am oberen Ende der sanften Anhöhe angekommen sah ich sanft gewelltes Gelände vor mir, das sich in alle Richtungen erstreckte. Das zweistöckige Haus wirkte italienisch. Es war elegant und schlicht und hatte symmetrisch angeordnete Fenster und eine kleine Veranda mit kreisrunder Balustrade.
    Ich parkte und stieg aus. Sämtliche Fenster im Erdgeschoss waren beunruhigend dunkel. Es gab keine Klingel, und niemand reagierte auf mein wiederholtes Klopfen. Ich drehte eine Runde um das Haus und hielt Ausschau nach Lichtern oder anderen Spuren der Bewohner. Alles war still, abgesehen davon, dass gelegentlich Wasser vom Dach tropfte. Hatte Trigg mich versetzt? Ich versuchte mich zu orientieren. Der förmlich angelegte Garten breitete sich rechts und links des Hauses aus, doch nirgends war ein Gärtner zu sehen. Vermutlich war es zu nass, um sinnvolle Arbeiten zu verrichten.
    Ich ging die abschüssige Rasenfläche hinab und hoffte dabei, jemandem zu begegnen, der mir sagen könnte, ob Trigg zu Hause war. Die nächsten fünf Minuten spazierte ich durch patschnasses Gras über das Anwesen. Am Ende einer Reihe von Zierbirnen sah ich ein Gewächshaus mit angrenzendem kleinem Schuppen. Daneben stand ein elektrischer Golfwagen. Ich suchte mir einen Weg dorthin, quer durch den Matsch, der an den Sohlen meiner Stiefel saugte.
    Ich sah einen Mann im Schuppen an einer hohen Bank arbeiten. Trotz der Kälte trug er Khakishorts und verdreckte Joggingschuhe. Er hatte an beiden Beinen Schienen, die den Eindruck erweckten, als hätte man sie ihm mit Schrauben rechts und links in die Knie gebohrt. An seinen Waden waren Anzeichen von Muskelatrophie zu erkennen. Neben ihm an die Arbeitsfläche gelehnt stand ein Paar Krücken. Die Schirmmütze, die er trug, bedeckte einen Schopf grauer Haare. Auf der Redwoodfläche vor ihm lagen fünf oder sechs mickrig aussehende Pflanzen in verschiedenen Stadien des Eingehens.
    Ich blieb in der Tür stehen und wartete, dass er mich bemerkte, bevor ich eintrat. Hinter der Tür auf der anderen Seite ging es ins Gewächshaus, doch das steile Glasdach war von meinem

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