Tödliche Gier
Standpunkt aus nicht zu sehen. Die meisten Seitenfenster waren undurchsichtig weiß, doch an manchen Stellen war das Glas klar und ließ hellere Lichtquadrate durchscheinen. Die Luft war warm und roch nach Lehm und Torfmoos. »Hallo. Entschuldigen Sie die Störung, aber sind Sie Mr. Trigg?«
Er sah kaum auf. »Bin ich. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin Kinsey Millhone.«
Er wandte sich um und sah mich verständnislos an, während sich zwischen seinen Augen eine Falte bildete. Sein Schnurrbart war eisengrau und seine Brauen eine unordentliche Mischung aus schwarzen und grauen Haaren. Ich schätzte ihn auf Anfang sechzig. Er hatte eine rote Nase, dicke Hängebacken und einen breiten Brustkorb, der nach vorn und unten in einen stattlichen Bauch überging.
»Ich hatte gehofft, Sie könnten mir ein paar Fragen über Dr. Purcell beantworten«, erklärte ich.
Seine Verwirrung schien sich zu legen. »Ach, entschuldigen Sie. Ich hatte ganz vergessen, dass Sie kommen, sonst hätte ich im Haus gewartet.«
»Ich hätte noch einmal anrufen und Sie erinnern sollen. Danke, dass Sie mir Ihre Zeit opfern.«
»Hoffentlich kann ich Ihnen helfen«, sagte er. »Alle nennen mich Trigg, also können Sie sich die Mühe mit dem >Mister< auch sparen. Passt irgendwie nicht.« Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte aus rohem Redwood und verteilte einen kleinen Spritzer Spülmittel in einem von zwei Eimern Wasser, die nebeneinander standen. Dann griff er nach dem Zweig eines Miniatur-Rosenstrauchs, der voller Spinnweben hing, legte die Hand auf die Erde am unteren Ende der Pflanze, drehte sie um und tunkte sie ins Wasser. »Es erstaunt mich, dass Sie mich gefunden haben. Meine Tochter wohnt bei mir, aber sie ist heute Morgen nicht da.«
»Tja, ich bin eine ganze Weile herumspaziert. Zum Glück haben Sie kein frei laufendes Rudel auf Angriff trainierter Hunde.«
»Die Kameraden sind momentan unter Verschluss«, erwiderte er spontan.
Ich hoffte sehr, dass das ein Beispiel für seinen trockenen Humor war. Schwer zu sagen, da sein Tonfall und seine Miene sich nicht veränderten.
»Falls Sie sich wundern, was ich hier treibe: Ich bin kein gelernter Gartenbauexperte. Meine Tochter hat einen Betrieb, der sich um die Pflanzen der Bewohner von Horton Ravine kümmert. Sie beliefert auch ein paar Hotels — das Edgewater, das Montebello Inn und noch andere in dieser Kategorie. Nur lebende Pflanzen, keine Schnittblumen. Ich glaube, sie engagieren jemand anders für die großen, prächtigen Blumenarrangements. Sie bringt mir die kränklichen Ableger, und ich pflege sie, bis sie wieder gesund sind.« Er richtete den tropfenden Rosenstrauch auf und tauchte ihn in den Eimer mit klarem Wasser. Dann zog er ihn heraus, schüttelte ihn aus und studierte die Wirkung. »Dieses kleine Kerlchen leidet an einem Befall von Spinnmilben. Die blöden Dinger sind nur einen halben Millimeter lang, aber sehen Sie sich bloß mal den Schaden an. Früher hatte der Strauch gesundes Laub, und jetzt ist es nur noch ein nackter Zweig. Ich werde ihn in Quarantäne halten. Wir haben auch oft mit Wurzelfäule zu tun. Die Leute gießen zu viel, weil sie sich zwischen Susans Besuchen nützlich machen wollen. Kennen Sie sich mit Pflanzen aus?«
»Nicht besonders. Früher hatte ich ein Seemoos, aber das habe ich irgendwann weggeworfen.«
»Die stinken wie ungewaschene Füße«, sagte er mit einem Kopfschütteln. Er stellte den Rosenstrauch beiseite und griff nach einer Maispflanze in einem Terrakottatopf. Ich sah ihm zu, wie er mit einem Schwamm einen dunkelgrauen, pulvrigen Belag von den Blättern wischte. »Rußiger Schimmel«, erklärte er, als ob ich gefragt hätte. »Schlichtes altes Seifenwasser nützt bei vielen von diesen Geschichten. Ich habe zwar nichts gegen systemische Gifte, aber bei so was wie Blattläusen versuche ich es lieber zuerst mit einem Kontaktpestizid. Malathion oder Nikotinsulfat, was auch nichts anderes ist als Black Flag-40. Ich schätze, ich bin konservativ. Susan ist manchmal anderer Meinung, aber gegenüber meinen Erfolgen verpuffen ihre Argumente.«
»Sie sind ein alter Freund von Dr. Purcell?«, sagte ich.
»Seit gut zwanzig Jahren. Ich war Patient bei ihm. Er hat in dem Prozess, der auf meinen Autounfall folgte, zu meinen Gunsten ausgesagt.«
»Das war, bevor er in die Geriatrie gewechselt hat?«
»Das will ich hoffen.«
Ich schmunzelte. »Was waren Sie von Beruf?«
»Ich war Vertreter — Pharmareferent. Ich habe die drei umliegenden
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