Toedliche Hoffnung
verdient hätte. Sie haben diesen Taschenverkäufer bestochen, damit er Patrick reinlegt, und jetzt diesen Typen, damit die Polizei aufhört, weiter in dem Mordfall zu ermitteln, sehen Sie das denn nicht? Sie waren doch selbst mal Journalist, jedenfalls irgendwann einmal, vor langer Zeit.«
Einige Sekunden lang blieb es still am anderen Ende. Als Richard Evans erneut zu sprechen begann, war seine Stimme hart und blank wie Stahl, schneidend wie ein Messer.
»Das ist eigentlich genau das, was man von Freien wie Cornwall befürchten muss«, sagte er. »Übertreiben so sehr, dass es sie zerreißt ... wie typisch, sich mit einem Boot in lebensgefährliche Gewässer zu begeben!«
»Ich sagte doch gerade, dass er das nicht getan hat.«
»Ihre Karriere scheitert, und dann ziehen sie hinaus und riskieren ihr Leben in irgendeinem dämlichen, vergessenen Krieg, weil sie glauben, damit Preise zu gewinnen.«
Ich hatte ein Treffen mit Tom McNerney auf der Terrasse des Café Central vereinbart. Er sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, mit aufgeschwemmter, roter Haut und ziemlich übergewichtig. Zu viele Zigaretten, zu viel Bier, ein bequemes Leben. Er drückte mich mit seinen kräftigen Armen an seine Brust.
Sag, dass du Neuigkeiten für mich hast, dachte ich.
Ich bestellte einen Salat und Mineralwasser, er ein Omelette und ein Steak. Als der Kellner den Brotkorb und das Olivenöl abgestellt hatte und in der Bar verschwunden war, räusperte Tom McNerney sich.
»Tja, also, es sind erst die vorläufigen Ergebnisse der Obduktion da«, begann er und putzte sich mit der Serviette die Nase. »Ich musste ihnen ziemlich in den Hintern kriechen, um sie zu bekommen.«
Ich blickte ihn an und wartete. Ein räudiger Hund schnüffelte auf der Suche nach Essensresten unter unserem Tisch herum.
»Er starb durch Ertrinken, so viel können sie auf jeden Fall sagen.« McNerney drehte sich weg und hustete in seine Armbeuge. »Eine Wunde, hier hinten, die aber schon kurz vor seinem Tod verheilt war.« Er rieb sich mit den Fingern an seinem eigenen Hinterkopf.
»Sie haben ihn in Paris überfallen«, sagte ich, »damit er aufhörte, in ihren Angelegenheiten herumzuschnüffeln. Sie prügelten auf ihn ein.«
Das Essen wurde serviert. McNerney befestigte seine Serviette wie ein Lätzchen am Hemdkragen.
Ich stocherte im Couscous. »Und was noch?«
»Einige Schürfwunden, aber die können im Meer entstanden sein, als er mit einem Boot zusammenstieß oder mit Treibholz.«
Er versuchte, sein Fleisch zu salzen, doch der Wind fing das Salz auf dem Weg zum Teller auf, die weiße Prise wurde zur Seite geweht und über den Tisch verstreut.
»Verdammte Küste«, sagte Tom McNerney und stellte den Salzstreuer mit einem Knall auf den Tisch. »Wussten Sie, dass jetzt der Levante bläst, dem Mythos nach treibt er die Menschen in den Wahnsinn.«
Er schob sich einen Bissen in den Mund, was ihn jedoch nicht daran hinderte, weiterzusprechen.
»Vor zwei Wochen, als die Leiche ... ich meine, als Ihr Mann an Land gespült wurde, wehte der Poniente, der Atlantikwind aus dem Westen.« Er tupfte sich etwas Soße vom Mundwinkel. »Doch das Meer ist unberechenbar, man kann nicht genau sagen, wo er ins Wasser fiel.«
»Es muss noch andere Anhaltspunkte geben«, sagte ich. »Was auch immer behauptet wird – ich weiß, dass Patrick nicht auf dem Boot war.«
Tom McNerney schüttelte den Kopf und sah mich mit betrübtem Blick an.
»Patrick Cornwall ertrank. Das ist das Einzige, was sich beweisen lässt.«
Ich ging durch die Stadt, kam erneut an der Blue Heaven Bar vorbei und gelangte schließlich zum Hafen. Dort saß ich lange und beobachtete die Fähre Tarifa – Tanger, die auf das offene Meer zusteuerte.
Wenn Mary Kwara es wagen würde, an die Öffentlichkeit zu gehen ... Und im nächsten Moment fiel mir ein, dass auch sie käuflich war. Sie hatte ihr Leben riskiert, um nach Europa zu gelangen und dort Geld zu verdienen.
Ich stand abrupt auf und ging los. 2 878 Dollar. Ich hatte die Ausgaben genau im Auge behalten, als wäre das Wesen in meinem Bauch ein Wirtschaftsprüfer, der mich eines Tages zur Verantwortung ziehen würde. Das würde nie reichen, aber ich hatte noch sieben- oder achthundert Euro von meinem Honorar übrig und eine kleine Summe auf meinem eigenen Konto. Außerdem konnte ich die Wohnung verkaufen. Mir im schlimmsten Fall etwas von Patricks Eltern leihen. Letzten Endes mussten sie doch dasselbe wollen wie ich – dass Patricks
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