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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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Grimasse.
    »Es reicht nicht, ein Mensch zu sein«, deklamierte sie, während sie sich energisch das Gesicht abrieb, »lieber ein Ochse, ein Ackergaul sein – nur arbeiten!«
    Das war eine Replik aus einem Monolog Irinas im ersten Akt. Leia war wieder die alte, und ich hätte eigentlich aufatmen müssen – doch mein Körper war genauso angespannt wie ihrer, als sie sich in Positur stellte, sie bestand nur aus Sehnen, Muskeln und durchscheinender Haut.
    »Bei heißem Wetter hat man manchmal das starke Verlangen zu trinken, und genauso habe ich jetzt das starke Verlangen zu arbeiten. Und wenn ichin Zukunft nicht früh aufstehe und arbeite, dann kündigen Sie mir die Freundschaft, Iwan Romanytsch!«
    »Beeil dich jetzt«, flehte ich und ging von ihrer Garderobe direkt ins Produktionsbüro, schloss die Tür bis auf einen kleinen Spalt und bohrte meine Nägel in die Kopfhaut.
    Nicht weinen, bloß keine Schwäche zeigen. Das hatte ich so sehr verinnerlicht, dass ich kaum noch wusste, wie sie das eigentlich machten. Die Menschen, die weinten.
    »Hast du inzwischen was von Patrick gehört?«
    Benji hatte die Tür geöffnet und betrachtete mich forschend.
    »Ich muss das hier noch durchgehen«, herrschte ich ihn an und sah auf den Schreibtisch, hob einen Stapel Quittungen hoch, der in die Rechnungsbücher einsortiert werden musste. Requisiten, Nägel und Stoffe.
    »Machst du dir Sorgen?«, fragte Benji beharrlich weiter. »Hast du ihn immer noch nicht erreicht?«
    Ich hieb mit aller Kraft auf den Heftapparat ein, als ich die Quittungen auf dem Papier befestigte. Benji erhaschte einen Blick auf die Postkarte und grabschte sie sich.
    »Aha, la tour Eiffel «, sagte er. »Wenn er mein Mann wäre, hätte ich ihn nie nach Paris gelassen.«
    »Du hast aber keinen Mann«, entgegnete ich.
    »Da steht doch, dass du dir keine Sorgen machen sollst.« Er wedelte mit dem Eiffelturm und lachte. »Er will bestimmt nur erreichen, dass du ihn vermisst, deshalb ruft er nicht an.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Darum geht es hier nicht.«
    »Geht es nicht immer darum?«, fragte Benji. »Wer derjenige ist, der anruft, und wer wartet. Und der, der nicht anruft, ist immer in der stärkeren Position, das ist ja gerade das Ungerechte.«
    In meinem Kopf hallte noch das Echo von Benjis perfekter Aussprache des tour Eiffel.
    »Sprichst du etwa Französisch?«, fragte ich.
    » Oui, bien sur «, antwortete er lachend. »Ich war ein Jahr lang als Austauschstudent in Lyon, ich liebe dieses Land.«
    »Frankreich ist ein Scheißland«, sagte ich und meinte es auchso. Mir fiel ein, dass ich eigentlich schon irritiert gewesen war, als Patrick mir sagte, dass er dort hinfahren würde. Vielleicht war mein Widerwille zu offensichtlich gewesen. Vielleicht erzählte er deshalb nur so wenig. Und ich hatte ihn nichts gefragt. Die finstersten Jahre meiner Kindheit hatte ich in einem französischen Nest auf dem Land zugebracht. An die Sprache konnte ich mich überhaupt nicht mehr erinnern.
    »Hör dir das mal an.« Ich musste mich sehr anstrengen, um mich zu erinnern, was Patrick ins Telefon geschrien hatte, als ich in Boston im Treppenhaus stand.
    »Mais qu’est-ce qui est en feu?« Ich sagte es langsam, um keine Silbe auszulassen. Die Wörter sagten mir rein gar nichts. »Quoi? Maintenant? Mais dis-moi ce qui se passe, nom de Dieu!«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Weißt du, was es bedeutet?«
    Benji fuhr sich mit den Händen durch das schwarze, exakt geschnittene Haar, das ihn ein wenig asiatisch aussehen ließ. Was er nicht war, aber er hatte mir erklärt, dass der Haarschnitt in der Szene verbreitet war, jetzt, wo man auf dem Weg ins asiatische Zeitalter sei. Er bat mich, die Sätze zu wiederholen.
    »Aber was brennt denn genau«, übersetzte er langsam. »Was meinst du? Jetzt? Nun sag schon, was los ist, in Gottes Namen!«
    Er kratzte sich an der Hand, sie war rau von dem vielen Waschen empfindlicher Stoffe.
    »Obwohl wir wahrscheinlich eher sagen würden ›um Gottes Willen‹ oder ›was zum Teufel ist los‹. Worum geht es denn?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Es hat mit Patrick zu tun, oder?« Benji kniete sich vor meinen Stuhl, sodass wir auf Augenhöhe saßen. Er legte eine Hand auf mein Knie. »Ist was passiert? Mir kannst du es doch erzählen. Komm schon, Ally. Ich bin es doch. Benji«, und er schnitt eine dämliche Grimasse. »Wenn mein Mann sich nicht melden würde, dann würde ich ihm nach Paris hinterherreisen«, sagte er. »Ich würde durch die Straßen

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