Toedliche Hoffnung
ja selbst mit einem verheiratet.«
Der Kellner brachte zwei Gläser frisch gepressten Saft und eine ganze Reihe von Tellern mit Schinken und Salaten, Omelette und Gänseleber, Brot und Käse.
»Ich trinke auch nicht«, fuhr Caroline Kenney fort, »nicht mehr. Dann muss man sich eben stattdessen aufs Essen konzentrieren.«
Sie schnappte sich eine Scheibe Weißbrot und strich einen Klacks reifen Käse darauf.
»Wie geht es Ihrem Mann denn? Übrigens ein ganz Hübscher, wenn Sie mich fragen.«
In dem Moment brach ich in Tränen aus. Ich ballte meine Fäuste und riss mich mit aller Kraft zusammen, aber es war wie ein Dammbruch, ich tupfte mir das Gesicht mit der Serviette ab und schniefte und versuchte, mich bei der fremden Frau gegenüber zu entschuldigen, aber sie ließ sich nicht aufhalten, diese Sturzflut aus Trauer und Panik und allem anderen, was ich in den letzten Wochen verdrängt hatte, möglicherweise sogar schon mein ganzes Leben lang, und ich schluchzte laut, als es aus mir herausbrach, und nahm durch den Tränennebel wahr, wie mich alle im Café anstarrten. Caroline Kenney reichte mir eine Serviette.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich, als sich die Flut zurückgezogenhatte und zu einem kleinen Rinnsal verebbt war. Ich schnäuzte mich in die Serviette. »Ich konnte mit niemandem darüber reden.«
»Hat er Sie verlassen?«, fragte Caroline Kenney. »Ich weiß, dass es sich momentan schlimm anfühlt, aber es wird besser, glauben Sie mir.« Sie breitete eine dicke Scheibe Gänseleber auf das nächste Brot. »Mein Mann ist nach zweiundzwanzig Jahren Ehe abgehauen, und hier saß ich, allein in Paris. Damals fing ich an zu schreiben. Ich musste mich schließlich ernähren. Mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen, zurückzukehren. Amerika ist heutzutage so vulgär, ganz ohne Finesse, aber vielleicht bin ich auch einfach nur französisch geworden mit der Zeit.«
Ich versuchte, mir zwischen den Tränen ein Lächeln abzuringen. »Ich glaube nicht, dass er mich verlassen hat«, sagte ich. »Ich fürchte Schlimmeres.«
Und dann erzählte ich die ganze Geschichte von Anfang bis Ende. Von Patricks letztem Anruf und Richard Evans, vom Brief aus Paris, dass ich in den letzten drei, fast vier Tagen hier seinen Spuren gefolgt war und was ich dabei alles erfahren hatte. Caroline Kenney aß mit gutem Appetit und warf hier und da eine Frage ein. Als ich bei meinem Treffen mit Salif am selben Tag angekommen war, legte sie ihr Besteck beiseite und reichte mir ein Taschentuch. Inzwischen hatte ich alle Servietten zu feuchten Fetzen zerheult.
»Patrick hat sich vor fast drei Wochen bei mir gemeldet«, sagte sie und zog einen Kalender aus ihrer Tasche. »Wir trafen uns am Dienstag, den neunten September, um dreizehn Uhr dreißig.« Sie nickte mir zu. »Er saß auf demselben Stuhl wie Sie jetzt.«
»Eine Woche, bevor er auscheckte«, stellte ich fest.
»Er bat mich, mir seine Fotos anzusehen«, fuhr sie fort. »Er fragte, ob ich ihm helfen könne, einige der Personen darauf zu identifizieren.«
Ich nahm den Umschlag und reichte ihn ihr.
»Waren es diese hier?«
Caroline Kenney setzte eine Brille mit goldenem Gestell auf. Während sie die Bilder studierte, beeilte ich mich, das zu verschlingen, was noch vom Essen übrig war.
»Nicht alle, aber einen Teil davon erkenne ich wieder«, antwortete sie. »Eine fürchterliche Qualität, ich sagte ihm, dass er als Paparazzo keinen Erfolg haben würde.«
»Alain Thery erkenne ich wieder«, sagte ich zwischen zwei Bissen, »aber wer sind die anderen?«
Sie klopfte mit einem langen, lilafarbenen Fingernagel auf das oberste Bild.
»Marcel Defèvre, er ist Politiker und sitzt im Europaparlament, wo er bisher kein großes Aufsehen erregt hat, am allermeisten war Patrick aber an diesem Mann interessiert.« Sie zog ein anderes Foto aus dem Stapel und legte es nach oben.
»Guy de Barreau«, sagte sie.
»Der Name sagt mir nichts.« Während sie weitersprach, betrachtete ich den Mann genauer. Er war in den Sechzigern, hatte dickes graues Haar und sah ein wenig aus wie eine in Würde gealterte Ausgabe von Hugh Grant.
»Er ist Lobbyist«, erklärte Caroline Kenney. »Allein das macht ihn zu einem Paradiesvogel in der französischen Politik. Unsere Tradition des professionellen Lobbyismus kennt man hier gar nicht.«
Sie holte ein Buch aus ihrer Tasche, der Name des Autors stand auf dem Umschlag: Guy de Barreau.
»L’art de convaincre«, las Caroline Kenney vor, » die Kunst des
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