Toedliche Intrige
Dann hätte ich nämlich gemerkt, wie falsch und absurd alles war. Das wäre vielleicht besser gewesen. Aber so ergab eines das andere.
Oder zumindest sehe ich es so. Ich weiß, dass ich von meiner Veranlagung her zu keiner Gewalttat fähig bin. Trotz allem. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun könnte. Die meisten Menschen sind so, oder zumindest möchten sich die meisten gern weismachen, dass sie so sind. Aber niemand sollte sich selbst überschätzen.
Wir haben darüber geredet, was wir tun würden, wenn es keinen Tómas mehr gäbe. Das war wie ein Spiel. Was würdest du mit all den Millionen machen, wenn Tómas tot wäre? Wir stellten uns vor, wie viel Zeit wir füreinander hätten. Wir redeten über die Freiheit. Über unsere immer währende Liebe.
So ist es meiner Meinung nach gewesen. Vielleicht war es aber Selbsttäuschung, ich weiß es nicht. Ich ging davon aus, dass Bettý und ich uns auf einer Ebene befänden. Mit der Zeit übernahm ich aber völlig unkritisch ihre Sicht der Dinge. So lief es in unserer Beziehung. Sie bestimmte, was wir machten, dachten, besprachen. Es war Bettý, die uns langsam, aber sicher auf das Verhängnis zusteuerte, indem sie in mir Zorn und Hass aufTómas Ottósson Zöega schürte. Die längste Zeit war ich der Meinung, dass wir nur über eine ferne und völlig irreale Möglichkeit sprachen. Es war irgendwie ein Spiel zwischen uns, das aber immer ernster wurde, bis es dann kein Zurück mehr gab.
Für mich war es Spiel und nicht Ernst. Mir ist inzwischen zwar klar, dass ich in gewissem Sinne Verantwortung trage, aber genauso steht fest, dass ich völlig unschuldig bin. Das war meine Aussage bei der ersten Vernehmung, und ich wiederhole es stets und ständig: Ich habe nichts getan. Ich habe nichts getan. Sie haben mir selbstverständlich nicht geglaubt. Das verstehe ich gut. Ich habe nichts an der Hand, um es beweisen zu können. Nur die Wahrheit ist auf meiner Seite: Ich habe nichts getan.
Ich habe keine Entschuldigung und suche auch nach keiner. Ich bin der Meinung, einige meiner Schwächen zu kennen, die mich in diese entsetzliche Situation brachten. Wir alle haben Schwächen. Es hat keinen Sinn, das abzustreiten. Manche Menschen sind vielleicht stärker als andere und können sie so weit in den Griff bekommen, dass sie keinen Einfluss mehr auf ihr Handeln haben. Die meisten von uns haben irgendwann im Leben einmal gesagt: Verdammt noch mal, das Schwein könnte ich umbringen! Die meisten von uns lassen es aber dabei bewenden. Das ist die Regel.
Während ich daliege und zurückdenke, kann ich diesen Augenblick nicht festmachen, von dem an sich unser beider Leben wie von selbst nur noch um den Mordan Tómas Ottósson Zöega zu drehen schien. Als sich mein Leben in diesen nicht enden wollenden Albtraum verwandelte, aus dem ich um jeden Preis erwachen möchte.
Vielleicht war es, als Bettý anfing, über diesen Mann zu reden, der in eine Lavaspalte stürzte?
15
T ómas Ottósson Zöega war das, was man einen Outdoor-Freak nennt. Das hatte aber nichts mit Umweltbewusstsein zu tun, sondern eher mit dem Gegenteil. Er jagte, angelte und verfolgte alles, was sich bewegte, mit Ausnahme von Vögeln, die dank ihrer Reaktionsschnelligkeit meist mit dem Leben davonkamen. Tómas liebte es, in der freien Natur zu sein. Im Sommer angelte er Lachs in den besten Flüssen des Landes und war dabei umgeben von isländischen und ausländischen Geschäftspartnern, von seinen Freunden, von Politikern und all den Leuten, die um ihn herumscharwenzelten. Im Herbst zog er in den Osten des Landes, um Rentiere zu schießen. Er streifte mit seinen Flinten durch die Berge und machte Jagd auf die Böcke. Während des Winters unternahm er abenteuerliche Trips ins Hochland und auf die Gletscher hinauf, tobte sich auf hochgepowerten Ski-doos und Jeeps aus und düste kreuz und quer durchs Land. Im Frühling kam es manchmal vor, dass er auf einem seiner Trawler mitfuhr. Er ging auch im Ausland auf Jagd, beispielsweise in Alaska. Einmal hatte er auch eine Safari in Kenia unternommen.
Das waren alles Unternehmungen für gestandene Männer, und normalerweise waren es immer dieselben, die daran teilnahmen. Man trank, erzählte sich obszöne Witze, und es ging hoch her - das war der Sinn des Ganzen. Auf einer solchen Angeltour vor zwei Jahren wurde einer von Tómas' Gästen, ein Wirtschaftsprüfer aus Reykjavik, in aller Herrgottsfrühe von einem blökenden Schaf in seinem
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