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Tödliche Jagd

Tödliche Jagd

Titel: Tödliche Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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des
winzigen Raumes zur Toilette zu erklären, was meinen Aufenthalt
sicherlich nicht angenehmer machen würde.
    Wie lange war ich nun schon hier? Fünf Stunden, oder zehn?
      Ich hockte auf dem Boden und lauschte angestrengt,
aber es war kein Geräusch zu hören, und plötzlich war es
wieder mitten in der Nacht, und irgendwo in der Dunkelheit lauerte die
unbekannte Gefahr, die mir nach dem Leben trachtete.
      Mir war nach Schreien zumute, ich entschloß mich
aber dann, gegen meine Angst anzukämpfen. Ich versuchte es mit
Gedichten, sagte sie laut auf, doch das war keine so gute Idee, denn
meine Stimme schien einem anderen zu gehören, und das machte mich
noch nervöser als zuvor. Danach versuchte ich die Handlung von
Romanen nachzuerzählen, die ich irgendwann gelesen hatte,
vorzugsweise von solchen, die sehr umfangreich waren. Bei Oliver Twist gelang es mir ganz gut, den Großen Gatsby kannte ich sowieso fast auswendig, aber bei David Cop perfield mu ßte ich ungefähr nach der Hälfte passen.
      Irgendwie mußte ich dann an St. Claire denken,
der zumindest bei den amerikanischen Luftlandetruppen einen beinahe
legendären Ruf besaß. St. Claire und seine Lebensgeschichte
gehörten ebenso zur Rekrutenausbildung wie Exerzieren oder das
Auseinandernehmen und Zusammensetzen eines M16 mit verbundenen Augen.
    Brigadegeneral James Maxwell St. Claire,
ein durch und durch außergewöhnlicher Mensch, Sohn eines
farbigen Millio närs, der seine erste Million im
Versicherungsgeschäft verdient hatte und dem danach das Geld nur
so zuzufliegen schien. Ein Elternhaus also, wie man es sich nur
erträumen konnte, immer nur vom Besten und Feinsten, Studium in
Harvard – und auf das alles verzichtete er 1941, als er sich zu
den Fallschirmjägern meldete. Als Sergeant geriet er 1943 in
Italien in Gefangenschaft, konnte jedoch fliehen, schloß sich
Partisanen an, die in der Po-Ebene kämpften, und kommandierte bald
eine vierhundert Mann starke Truppe, die in drei Tagen eine
Infanteriedivision der Wehrmacht aufrieb. Daraufhin erhielt er sein
Offizierspatent, wurde innerhalb eines Jahres zum Captain
befördert, und landete mit britischen Spezialeinheiten einen Tag
vor Beginn der Invasion in der Bretagne.
      Die Medal of Honor verdiente er sich 1952 während
des Koreakrieges. Einer Pioniereinheit war es nicht gelungen, vor dem
Heranrücken des Feindes eine strategisch wichtige Brücke zu
sprengen. St. Claire übernahm es, diesen Fehler auszubügeln,
und flog dabei mit der Brücke in die Luft. In der ganzen
amerikanischen Armee gab es damals keinen, der noch sonderlich erstaunt
darüber war, als man ihn lebend aus dem Wasser fischte.
      Außergewöhnlich war auch seine Lebenslust.
Frauen, Alkohol und gutes Essen, in dieser Reihenfolge. Aber wenn ich
nun im nachhinein alles überdenke, dann war für ihn das
Wichtigste, daß immer irgend etwas passierte und er dabei im
Mittelpunkt stand. Ich aber hockte in meiner Zelle, fror
gottserbärmlich und zitterte am ganzen Körper. Ich kauerte
mich zusammen, verschränkte die Arme, aber es half nichts. Da
erinnerte ich mich an das, was St. Claire gesagt hatte, und mir fiel
sogar ein Vers eines taoistischen Gedichts ein, das er rezitiert hatte. Wenn du dich bewegst, sei wie das Wasser, wenn du ruhst, wie ein Spiegel.
    Ich hatte nichts zu verlieren, das war
die einzige Gewißheit, und so setzte ich mich im Schneidersitz
auf den Boden und konzentrierte mich darauf, jeden einzelnen Schritt
der Atemübun gen, die er mir erklärt hatte, seine Methode zur
Entwicklung der von ihm erwähnten, geheimnisvollen ch'i, nachzuvollziehen.
      Ich versuchte, mich so gut wie möglich zu
entspannen, atmete durch die Nase ein und durch den Mund aus. Ich
schloß die Augen, obwohl das kaum einen Unterschied machte, und
hielt mein rechtes Ohr mit der linken Hand zu. Nach ungefähr
fünf Minuten wechselte ich dann ab und hielt das linke Ohr mit der
rechten zu. Nach weiteren fünf Minuten hielt ich mir, die Arme vor
der Brust gekreuzt, beide Ohren zu.
      Das Ganze war natürlich vollkommener
Blödsinn, auch wenn es sich dabei nach Aussage von St. Claire um
eine jahrtausendealte Technik handelte, aber zumindest hörte ich
auf zu zittern, und das regelmäßige Atmen wirkte auch
irgendwie beruhigend. Ich spürte den Steinboden und die Kälte
nicht mehr, hatte das Gefühl, in meinem kühlen, dunklen
Verlies zu schweben und mir beim Atmen zuzuhören.
      Es war wie leichtes Meeresrauschen, das Flüstern des Windes

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