Tödliche Jagd
passieren.
Ich habe die Aufzeichnungen hier. Dr. O'Hara kam erst anderthalb
Stunden nach dem General durch.«
Ich vermochte ihm nicht mehr zu folgen und
verspürte außerdem einen unheimlich starken Schmerz im
Hinterkopf. »Worauf willst du denn eigentlich hinaus?«
fragte ich ungeduldig.
Er überging meine Frage und sagte statt dessen:
»Erzähl mir doch noch einmal, was gestern da draußen
in der Marsch passiert ist, diesmal aber die Wahrheit oder zumindest
das, was deiner Ansicht nach die Wahrheit ist.«
Das war schnell geschehen, und als ich meine
Schilderung beendet hatte, saß er ziemlich lange schweigend da,
das Kinn in die Hand gestützt. Schließlich wurde es mir denn
doch zu dumm. »Ja, ich weiß, die typischen klinischen
Symptome nach Einnahme von LSD. Hat doch Sean O'Hara gesagt,
oder?«
»Aber du hast behauptet, kein LSD genommen zu haben.«
»Die Analysen, die er gemacht hat, beweisen das
Gegenteil. Eine starke Dosis. Mein Bewußtseinszustand ändert
sich zur Zeit so oft, daß ich nie richtig weiß, wo ich
bin.«
»Aber wer hat dir denn das Zeug gegeben,
verdammt noch mal?« donnerte er plötzlich los, und ich
starrte ihn nur völlig verdutzt an. »Wenn du's nicht selbst
genommen hast, muß es dir jemand gegeben haben. Ist ganz einfach.
Ein paar Tropfen davon auf ein Stück Zucker, und das dann in
deinen Tee oder Kaffee.«
Ich sah ihn ganz entgeistert an, aber er stellte in
aller Ruhe fest: »Sie muß es gewesen sein, Ellis. Es kommt
niemand sonst in Frage.«
Er hatte damit natürlich recht, mußte recht
haben, wenn das, woran ich mich erinnern konnte, tatsächlich
geschehen war. »Aber warum? Warum sollte sie mir das
antun?« fragte ich mit einem Kloß im Hals.
»Du wirst dich noch wundern, wie plötzlich ein Steinchen in
dieser dubiosen Angelegenheit zum anderen paßt und alles einen Sinn ergibt. Deine Geschichte zum Beispiel.«
Ich war wie vom Donner gerührt. »Du glaubst sie mir?«
»Sie klingt auf jeden Fall viel plausibler als die andere.«
»Dann glaubst du mir auch, daß ich sie nicht umgebracht habe?«
Er holte aus der Akte ein Foto der quer über dem
Bett liegenden Leiche, ein Knie angehoben, das Gesicht völlig
zermalmt.
»Eines ist jedenfalls sicher: Du
hast St. Claire nicht umgebracht.« Er lächelte
süffisant. »Das hier auf dem Foto ist er nämlich gar
nicht.«
5
Nächtliche Aktion
Ich griff nach einem Sessel, um mich abzustützen, warf ihn
jedoch um und fand mich neben ihm auf dem Boden kniend wieder. Ein
Schreckensschrei ertönte, und Helen St. Claire kam durch die
Tür in der Wandvertäfelung gestürmt, Sean O'Hara nur
einen Schritt hinter ihr.
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Hab' mich
schon die ganze Zeit gefragt, wen der alte Gauner da draußen bei
sich hat.«
Sie setzten mich in den Sessel, den Sean wieder
aufgestellt hatte. Helen erwiderte mein Lächeln nicht; sie war
sehr besorgt um mich.
»Ellis, wie siehst denn du aus? Was haben sie mit dir gemacht?«
»Ist nicht so wichtig.« Ich wandte mich Vaughan zu. »Welche Beweise hast du dafür?«
»Mich!« rief Helen, bevor er antworten
konnte. »Major Vaughan rief mich gestern nachmittag in Paris an
und bat mich, so schnell wie möglich zu kommen. Als ich gestern
abend um neun in London ankam, wartete er bereits am Flughafen auf
mich.«
»Ich brachte die Leichen sofort in die
Pathologie am St. Bede's-Hospital, wo sie obduziert wurden«, warf
Vaughan ein.
»Es ist nicht Max. Ich wußte
es sofort, trotz der schrecklichen Verstümmelungen. Die Hautfarbe
und die Größe stimmen zwar, aber er ist es nicht. Mein Gott,
ich war noch nie in meinem Leben so erleichtert.«
Sie hatte tatsächlich Tränen in den Augen.
Ich strich ihr zärtlich über die Wange und sagte zu Vaughan:
»Recht dürftig. Habt ihr denn keine konkreteren
Beweise?«
»Doch, haben wir. Dr. St. Claire hat uns einen
ganz konkreten geliefert. Es handelt sich um den Mittelfinger der
rechten Hand.«
»Max hat sich ihn mit zehn Jahren in den
Zahnrädern einer alten Wäschemangel eingeklemmt«,
erklärte sie. »Die Spitze wurde dabei abgequetscht. Es
fällt jedoch nicht auf, weil der Finger ganz normal aussieht,
sogar einen Nagel hat. Aber wenn er die Hände aneinanderlegt,
sieht man, daß der Mittelfinger der rechten Hand einen halben
Zentimeter kürzer ist als der an der anderen. Als kleines
Mädchen mußte ich immer lachen, wenn er es mir gezeigt
hat.«
Ich nickte, hatte
Weitere Kostenlose Bücher