Tödliche Jagd
wollte mich mit ihm über diesen Punkt
streiten, doch ich war viel zu müde dazu. Sean drückte den
Klingelknopf auf dem Schreibtisch, und Flattery kam herein.
»Bringen Sie Mr. Jackson auf sein Zimmer, und haben Sie ein Auge
auf ihn. Ich möchte ihn dann am späten Nachmittag noch einmal
sehen.«
Flattery nahm mich am Arm und half mir nach
draußen. Als wir mit dem Lift hochfuhren, legte er mir den Arm um
die Schultern. »Lehnen Sie sich an mich. Es scheint Ihnen nicht
so gut zu gehen.«
Wahrhaft eine Wendung zum Besseren, und ich nahm sein
Angebot dankend an, als wir aus dem Lift stiegen und auf die schmale
Stahlbrücke gingen.
Mitten auf der Brücke kam mir plötzlich ein
Fuß in die Quere, sein starker Arm war nicht mehr da, um mich
festzuhalten, ich strauchelte, fiel der Länge nach hin, rutschte
unter das Geländer. Ich spürte seinen Fuß in meinem
Kreuz, der mir den letzten Anstoß zu meinem zwanzig Meter tiefen
Fall hinunter auf das Pflaster des Hofs geben wollte.
Ich konnte mich gerade noch mit den Händen an
einer Geländerstange festhalten, ein Bein baumelte schon in der
Luft, als meine Schreie ein Echo fanden und Thompson von der anderen
Seite über die Brücke gelaufen kam.
Beide nahmen mich in die Mitte und stellten mich
wieder auf die Füße, und Flattery beteuerte mehrmals, er
könne sich nicht vorstellen, wie das passiert sei. Ein Unfall, der
gerade noch hatte verhindert werden können, war der allgemeine
Tenor.
Ich war jedoch anderer Ansicht. Ich
weiß nicht, was Sean mir gespritzt hatte, denn ich schlief schon
halb, als sie mich ins Bett legten, war aber noch wach genug, mich an
den Fuß in meinem Rücken zu erinnern, Flatterys Blick
wahrzunehmen, als er rückwärts zur Tür hinausging und
sie abschloß.
Flattery hatte eben versucht, mich aus Gründen,
die wohl nur ihm bekannt waren, zu ermorden. Eine furchtbare
Erkenntnis, die ich da kurz vor dem Einschlafen noch gewann.
Im Dämmerzustand zwischen Schlaf und Wachsein,
wenn einem die seltsamsten Dinge durch den Kopf gehen, erschien mir
sein Gesicht, voller Haß und Niedertracht. Ich blinzelte ein
paarmal, murmelte Zusammenhangloses vor mich hin, und als ich wieder
die Augen öffnete, war er immer noch da, beugte sich über
mich. Seine Miene hatte sich verändert, drückte nun Besorgnis
aus.
»Alles in Ordnung, Mr. Jackson?«
Ich hob den Oberkörper an, stützte mich auf dem Ellenbogen ab. »Wie spät ist es?«
»Gleich sieben Uhr. Sie haben den ganzen Tag geschlafen. Dr. O'Hara möchte Sie sehen.«
Ich nickte automatisch, war immer noch benommen von
dem Zeug, das Sean mir injiziert hatte. »Meinetwegen. Wo ist
er?«
»Unten in seinem Zimmer. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Danke nein, es geht so. Ich möchte mich
aber erst noch duschen. Bin noch gar nicht so richtig wach.«
»Dr. O'Hara sagte allerdings, er hätte es
recht eilig. Soweit ich weiß, möchte er so bald wie
möglich nach London zurückfahren.«
Ich war ganz schlaftrunken, stand außerdem immer
noch unter der Einwirkung der Spritze, so daß der Zwischenfall am
Morgen auf der Brücke mir nur verschwommen in Erinnerung war, zu
meinen bösen Träumen zu gehören schien, genau wie der
Ausdruck in Flatterys Gesicht, den ich beim Aufwachen gesehen hatte.
Ich stand mit dem Rücken zu ihm, als
ich meinen Bademantel anzog, drehte mich dann ganz plötzlich zu
ihm um, womit er nicht gerechnet hatte, und sah wieder diesen
Gesichtsausdruck voller Haß und Niedertracht. Vermutlich war das
meine Rettung, denn trotz des freundlichen Lächelns, das er sofort
aufsetzte, war ich auf der Hut, als wir hinaus auf den Gang gingen.
»Wo steckt denn Thompson?«
»Hat seinen freien Abend«, erwiderte er
und schloß die Tür zu meinem Zimmer. »Hat Glück,
der Junge. Schon der zweite Samstag in diesem Monat.«
»Sie sind also heute nacht der Chef hier?«
»So ist es.«
Und das sagte er alles in einem zuvorkommenden,
jovialen Ton, bei dem sich mir die Haare sträubten, denn ich
traute ihm nicht mehr über den Weg. Ich ging in Richtung der
Tür zur Brücke am Ende des Ganges, versuchte, klare Gedanken
zu fassen.
»Nicht dorthin«, wies Flattery mich an. »Es gießt in Strömen.«
Ich blieb vor dem Lift stehen. Er trat hinter mich und
drückte den Bedienungsknopf. Die Tür ging auf, doch da war
keine Kabine, nur Stahlseile in einem dunklen Schacht.
Es ging alles so schnell, daß er mich auf dem
falschen Fuß
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