Tödliche Jagd
nun
mit aller Kraft hernieder. Als wir das Tor erreicht hatten, blieb der
Lkw stehen, doch der Motor lief weiter.
Ich schloß die Augen und versuchte, mich noch
kleiner zu machen, als Schritte von der Treppe des einstöckigen
Wachhäuschens herunterkamen. Jemand lief hinter den Lkw, warf
einen Blick auf die Ladefläche und rief dann etwas, was in dem
Regen nicht zu verstehen war. Die Tore öffneten sich quietschend
und wir fuhren hinaus auf die Straße.
Ich wartete einige Minuten ab, hob dann den Kopf und
sah zu meinem Schrecken, daß wir uns bereits den ersten
Häusern des Dorfes näherten. Ich kroch rückwärts,
ließ mich hinunter auf die Ladeklappe und machte mich zum Sprung
bereit, als der Lkw vor einer schmalen Brücke die Geschwindigkeit
verringerte. Einen Augenblick später rollte ich mich im nassen
Gras neben der Straße ab. Ich setzte mich auf, konnte mir aus
irgendeinem Grund nur schwer das Lachen verbeißen und sah die
Rücklichter des Lkw in der Dunkelheit verschwinden. Neben dem
leiser werdenden Geräusch seiner Motoren vernahm ich dann noch
zwei andere, ein ständiges, fast monotones Quietschen und ein
regelmäßiges, lautes Plätschern. Ich kroch auf die
Brücke und sah auf der anderen Seite ein altes Mühlenrad, das
sich im schnell dahinfließenden Bach drehte.
›Das Häuschen neben der alten Mühle
unten an der Brücke‹, hatte Helen doch gesagt. Es stand
auch auf der anderen Seite des Baches, allem Anschein nach mindestens
dreihundert Jahre alt, strohgedeckt, umgeben von einem weißen
Zaun.
Ich lief hin und entdeckte den vor dem Haus geparkten
Alfa, der im Schein einer Lampe über der Haustür im Regen
glitzerte. Ich blickte durch das erleuchtete Fenster und sah Helen in
einer erstaunlich modern eingerichteten Küche am Herd stehen und
in einer Pfanne rühren.
Mein Hang zum Dramatischen kam wieder
durch, und so öffnete ich einfach die Tür und spazierte in
die Küche. Sie fuhr herum, offensichtlich verärgert über
die späte Störung, und stand dann da und starrte mich an, als
würde sie aus allen Wolken fallen.
»Ellis!«
»Höchstpersönlich.«
Sie stürmte mir entgegen, umarmte mich und
küßte mich – mit echter Leidenschaft. Welch ein
Fortschritt gegenüber Paris.
»Sei vorsichtig«, riet ich ihr. »Ich bin tropfnaß.«
»Das sehe ich«, erwiderte sie und begann,
mir den Trenchcoat aufzuknöpfen. »Dr. O'Hara ist vor kaum
zehn Minuten nach London zurückgefahren. Er sagte mir, du
würdest schlafen wie ein Murmeltier. Was soll das alles
bedeuten?«
Sie stand vor mir, hielt mich an meinem nassen
Trenchcoat fest, attraktiver als jede andere Frau und dazu intelligent
– zwei Doktortitel, der dritte nur noch eine Frage der Zeit. Ich
entschied mich dafür, ohne Umschweife zur Sache zu kommen.
»Ich habe jemanden umgebracht«, sagte ich
einfach. »Zumindest wird es so aussehen, wenn sie ihn
finden.«
Als ich meine Geschichte schließlich zu Ende erzählt
hatte, saßen wir uns am Tisch gegenüber. Sie schenkte mir
Glauben, daran bestand kein Zweifel, doch die Sorge stand ihr ins
Gesicht geschrieben.
»Aber warum, Ellis? Wo ist das Motiv?«
»Ganz einfach. Wenn wir Vaughans Version folgen,
dann beruhte der ursprüngliche Plan hauptsächlich darauf,
mich zum Wahnsinnigen zu stempeln, der unter Drogeneinfluß zwei
Morde und danach Selbstmord begeht. Zum Glück habe ich mich
übergeben müssen und das meiste von der Droge ausgespuckt,
und dann kam auch Sean gerade noch rechtzeitig, um mir helfen zu
können.«
»Das weiß ich alles. Aber wie geht's weiter?«
»Die Tatsache, daß ich am
Leben bin, ist, obwohl ich ganz wie der Schuldige aussehe, für die
Drahtzieher mehr als unangenehm, denn es besteht immer die
Möglichkeit, daß jemand auf mich aufmerksam wird, wenn ich
meine Unschuld lange genug hinausschreie.«
»Und die Umstände noch einmal unter die Lupe nimmt, meinst du?«
»Genau. Es wäre für sie viel besser,
wenn der arme, übergeschnappte Ellis Jackson sich von der
Brücke stürzte oder in den Liftschacht springen würde.
Wenn das passiert wäre, hätten es alle als zweiten, diesmal
allerdings erfolgreichen Selbstmordversuch ausgelegt.«
»Aber doch sicher mit Ausnahme von Vaughan?«
»Da hast du völlig recht. Nur weiß
die andere Seite eben noch nicht, daß er ihren schönen Plan
schon durchschaut hat, oder?«
Sie nickte bestätigend. »Trotz allem ist
das mit Flattery eine böse Geschichte. Du hättest
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