Tödliche Küsse
er es regelmäßig tut. Manchmal ist es wirklich beunruhigend.«
»Und weshalb?«
»Weil ich nichts getan habe, womit ich es verdient hätte, dass er mich so gern hat, wie es offenbar der Fall ist. Nein, nicht offenbar, ich weiß, dass es so ist.«
»Eve, bisher haben Sie Ihren Selbstwert ausschließlich an Ihrer Arbeit festgemacht. Jetzt werden Sie durch eine Beziehung gezwungen, sich auch als Frau zu beurteilen. Haben Sie Angst vor dem möglichen Ergebnis dieser Neubeurteilung?«
»Das kann ich noch nicht sagen. Bisher ging es mir immer und ausschließlich um meinen Job. Um die Höhen und Tiefen, die Hektik und die gelegentliche Langeweile, die damit verbunden sind. Meine Arbeit gab mir alles, was ich brauchte. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um Lieutenant zu werden, und ich denke, vielleicht bringe ich es, wenn ich weiterschwitze, noch bis zum Captain oder sogar weiter. Es war mir immer wichtig, die Beste zu sein, etwas zu bewirken, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es ist mir immer noch wichtig, aber es ist nicht mehr das Einzige für mich.«
»Ich würde sagen, Eve, dass Sie dadurch zu einem noch besseren Cop und gleichzeitig zu einer noch besseren Frau werden. Wenn wir uns auf eine einzige Sache konzentrieren, engen wir uns selber dadurch ein und entwickeln häufig sogar eine Art Besessenheit. Für ein gesundes Leben braucht man mehr als nur ein Ziel, mehr als nur eine Leidenschaft.«
»Dann schätze ich, dass mein Leben gerade gesünder wird.«
Ihr klingelndes Handy erinnerte sie daran, dass sie im Dienst und somit augenblicklich vor allem Polizistin war. »Dallas.«
»Du solltest in Channel 75 reinschalten«, erklärte ihr Feeney. »Und dann solltest du zusehen, dass du so schnell wie möglich zurückkommst. Der neue Chief will uns nämlich gemeinsam den Arsch aufreißen.«
Eve beendete eilig das Gespräch und erblickte auf dem Bildschirm, den Mira bereits eingeschaltet hatte, das Frettchen, wie es die Mittagsnachrichten sprach.
»… fortgesetzte Probleme bei den Ermittlungen. Wie uns aus zuverlässiger Quelle bestätigt wurde, hat man David Angelini wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen gestern Morgen festgenommen. Er gilt als Hauptverdächtiger in den drei Mordfällen. Gleichzeitig jedoch hat Marco Angelini, der Vater des Beschuldigten, die Taten gestanden. Angelini senior, Präsident von Angelini Exports und Ex-Mann des ersten Opfers, Staatsanwältin Cicely Towers, stellte sich gestern Nachmittag der Polizei. Trotz seines Geständnisses wurde er bisher nicht unter Anklage gestellt, und die Polizei hält seinen Sohn David weiter als Verdächtigen fest.«
Morse machte eine Pause, wandte leicht den Kopf, und auf seinem hübschen, jungenhaften Gesicht spiegelte sich ein der Situation angemessener Ernst. »Einziger bisheriger Beweis gegen Angelini junior war ein Messer, das gestern bei einer Durchsuchung des Hauses der Familie sichergestellt wurde, bei dem es sich den Laboruntersuchungen zufolge jedoch unmöglich um die Tatwaffe handeln kann. Heute Morgen gab mir Ms. Mirina Angelini, Tochter der verstorbenen Cicely Towers, ein Exklusivinterview, in dem sie die Behörden sicher nicht zu Unrecht der Voreingenommenheit beschuldigt.«
Ein Film wurde eingeblendet, in dem man Mirinas hübsches, empörtes Gesicht in Großaufnahme sah. »Die Polizei verfolgt meine Familie. Ist es nicht genug, dass meine Mutter tot, dass sie auf offener Straße ermordet worden ist? Nein, in dem verzweifelten Versuch, das eigene Unvermögen zu kaschieren, hat die Polizei erst meinen Bruder und dann auch noch meinen Vater festgenommen, und es würde mich nicht besonders überraschen, wenn man auch mir in Kürze Handschellen anlegen würde.«
Eve knirschte mit den Zähnen, während Morse Mirina durch geschickte Fragen dazu brachte, wilde Anschuldigungen zu erheben und telegene Tränen in ihren Augen aufblitzen zu lassen. Als das Nachrichtenstudio wieder ins Bild kam, runzelte das Frettchen dort sorgenvoll die Stirn.
»Eine Familie unter Belagerung? Es gibt Gerüchte, dass gewisse Dinge vertuscht werden sollen. Ermittlungsleiterin Lieutenant Eve Dallas stand für ein Gespräch leider nicht zur Verfügung.«
»Dieser kleine Bastard. Dieser widerliche kleine Bastard«, murmelte Eve und wandte sich brüsk ab. »Er hat gar nicht versucht mit mir zu sprechen. Dabei hätte ich ihm bestimmt einiges zu sagen gehabt.« Wütend schnappte sie sich ihre Tasche und bedachte Mira mit einem letzten Blick. »Den sollten
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