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Tödliche Küsse

Tödliche Küsse

Titel: Tödliche Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Robb
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George wollte beides – eine Geliebte und gleichzeitig seine Freiheit – und Cicely hat sich eingeredet, dass sie es auch so wollte.«
    »Aber das hat nicht gestimmt.«
    »Nein«, schnappte Anna. Offensichtlich war dieses Thema Gegenstand eines alten Streits. »Arbeit alleine reicht nicht, wie ich ihr zahllose Male gesagt habe. Aber die Sache mit George war ihr einfach nicht ernst genug, um den Sprung zu wagen.«
    »Welchen Sprung?«
    »Ich spreche von dem emotionalen Risiko, das zu jeder Partnerschaft gehört«, erklärte Anna mit ungeduldiger Stimme. »Ihr Polizisten nehmt immer alles so wörtlich. Sie wollte lieber ein ordentliches, durchorganisiertes Leben als das mit einer Vollzeit-Partnerschaft einhergehende Chaos.«
    »Ich hatte den Eindruck, dass Mr. Hammett darüber nicht sehr froh war, dass er sie sehr geliebt hat.«
    »Wenn dem so war, warum hat er sie dann nicht mehr bedrängt?«, wollte Anna wissen, und endlich liefen ihr die ersten Tränen über das Gesicht. »Dann wäre sie nicht allein gewesen. Dann wäre sie nicht allein gestorben.«
    Eve verließ den ruhigen Vorort, lenkte ihren Wagen an den Straßenrand und stellte den Sitz in Liegeposition. Sie musste nachdenken. Nicht über Roarke, versicherte sie sich. Da gab es nichts nachzudenken. Die Sache war geklärt.
    Aus einem Impuls heraus klinkte sie sich in ihren Computer im Büro und fragte nach David Angelini. Wenn er wie sein Vater war, hatte er vielleicht ebenfalls ein paar schlechte Investitionen getätigt. Und da sie gerade dabei war, dachte sie, sollte sie am besten auch gleich Randall Slade und die Boutique in Rom unter die Lupe nehmen lassen.
    Falls etwas dabei herauskam, würde sie sich die Flüge von Europa nach New York ansehen.
    Verdammt, eine Frau, die sich um nichts Sorgen zu machen brauchte, verließ nicht einfach mitten in der Nacht ihr warmes, trockenes Apartment.
    Eve ging alle Schritte noch einmal einzeln in Gedanken durch. Während sie über Cicelys letzte Stunden nachsann, betrachtete sie beiläufig die Gegend. Hübsche alte Bäume spendeten weit reichend Schatten in den ordentlichen, postkartengroßen Höfen, die die ein- oder zweistöckigen frei stehenden Häuser rahmten.
    Wie mochte es sein, wenn man in einer hübschen, ordentlichen Gegend aufwuchs? Bekam man dadurch Sicherheit und Selbstbewusstsein? So wie es einen nervös und reizbar machte, wenn man als Kind von einem vor Schmutz starrenden Zimmer in einer stinkenden Straße in das nächste gezerrt wurde?
    Vielleicht gab es auch hier Väter, die sich in die Kinderzimmer ihrer kleinen Töchter schlichen. Doch das war kaum anzunehmen. Hier stanken die Väter ganz sicher nicht nach billigem Fusel und säuerlichem Schweiß, hier vergruben die Väter ganz sicher nicht ihre dicken Finger in unschuldigem Fleisch.
    Eve merkte, dass sie auf ihrem Sitz vor und zurück wippte und unterdrückte mit Mühe ein Schluchzen.
    Sie würde es nicht tun. Sie würde sich nicht daran erinnern. Sie würde nicht das Gesicht heraufbeschwören, das im Dunkeln über ihr aufgetaucht war, oder den Geschmack der Hand, die auf ihrem Mund gelegen hatte, damit niemand hörte, wenn sie vor Schmerz und Entsetzen schrie.
    Sie würde es nicht tun. Das alles war jemand anderem passiert, irgendeinem anderen kleinen Mädchen, an dessen Namen sie sich noch nicht einmal erinnerte. Falls sie es versuchte, falls sie zuließ, dass die Erinnerung zurückkam, würde sie Eve verlieren und wieder das hilflose kleine Kind werden.
    Sie lehnte ihren Kopf zurück und atmete tief ein.
    Hätte sie sich nicht derart im Selbstmitleid gewälzt, hätte sie die Frau, die gerade eins der Seitenfenster des gegenüberliegenden Hauses einschlug, sicher bereits bemerkt, ehe die erste Scherbe auf die Erde fiel.
    Eve runzelte die Stirn und fragte sich, warum sie gerade hier angehalten hatte. Hatte sie tatsächlich Lust auf den Papierkram, der, da sie sich hier in einem fremden Einsatzgebiet befand, unweigerlich auf sie zukäme?
    Dann dachte sie an die nette Familie, die am Abend nach Hause kommen würde und feststellen müsste, dass all ihre Wertsachen verschwunden waren, und stieg seufzend aus.
    Die Frau hatte den Oberkörper bereits durch die Öffnung geschoben, als Eve hinter sie trat. Der Sicherheitsschild war mit einem billigen Störsender, den es in jedem Elektronikladen gab, ausgeschaltet worden. Eve schüttelte den Kopf über die Naivität der Vorortbewohner und tippte der Diebin, die versuchte, sich durch das Fenster zu

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