Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
pummeligen Gnom.«
»Ich mußte versuchen, die Mutter des Opfers zu interviewen.« Die Hände in den Hosentaschen ihrer Jeans vergraben, sprang Deanna auf und lief im Zimmer hin und her. Jeder ihrer Schritte verriet ihre innere Spannung. »Sie ging nicht ans
Telefon, und als gute Reporterin machte ich daher ihre Adresse ausfindig. Aber auch die Haustür blieb verschlossen, die Vorhänge waren zugezogen, und zusammen mit einem ganzen Haufen anderer Presseleute wartete ich fast eine geschlagene Stunde draußen. Ich kam mir vor wie ein Unhold.«
»Du müßtest doch inzwischen wissen, daß die Begriffe ›Unhold‹ und ›Reporter‹ austauschbar sind.« Deanna konnte dieser Bemerkung kein Lächeln entlocken, und Fran sah an ihren ruhelosen Bewegungen, wie sehr sich ihre Freundin schuldig fühlte. Nachdem sie ihr Glas abgestellt hatte, zeigte sie auf den Sessel. »Okay, jetzt setz dich mal hin und hör dir einen guten Rat von Tante Fran an.«
»Kann ich mir den Rat nicht im Stehen anhören?«
»Nein.« Fran schnappte sich Deannas Hand und zog die junge Frau mit einem heftigen Ruck auf das Sofa. Trotz ihres so gegensätzlichen Hintergrundes und ihrer so unterschiedlichen Art bestand ihre Freundschaft, seit sie am College ihre ersten Gehversuche unternommen hatten. Diesen Kampf zwischen Verstand und Gefühl hatte Fran schon Dutzende Male bei Deanna erlebt. »Gut. Frage Nummer eins: Warum bist du nach Yale gegangen?«
»Weil ich ein Stipendium bekommen hatte.«
»Jetzt komm mir nicht mit deiner Intelligenz, Mrs. Einstein. Warum sind wir beide zum College gegangen?«
»Du wolltest Männer treffen.«
Fran kniff die Augen zusammen. »Das fiel tatsächlich auch noch dabei ab. Jetzt hör aber gefälligst auf, dauernd um den heißen Brei herumzureden, und beantworte endlich meine Frage!«
Deanna gab sich geschlagen und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wir nahmen das Studium auf, weil wir Journalistinnen werden und gutbezahlte, hochprofilierte Stellen beim Fernsehen bekommen wollten.«
»Ganz genau. Und ist uns das gelungen?«
»In etwa schon. Wir haben unsere Abschlüsse gemacht. Ich bin Reporterin für die CBC, und du bist Koproduzentin vom Frauengespräch im Kabelfernsehen.«
»Und das sind hervorragende Ausgangspositionen. Hast du etwa den berühmten Fünfjahresplan von Deanna Reynolds vergessen? Wenn ja, bin ich mir sicher, daß sich in diesem Schreibtisch dort eine getippte Fassung davon befindet.«
Deanna blickte zu dem einzigen Möbelstück hinüber, das sie seit ihrem Umzug nach Chicago erworben hatte. Es war ihr ganzer Stolz, und sie hatte den mit einer wunderschönen Patina versehenen Schreibtisch aus der Zeit Königin Annas auf einer Auktion erstanden. Und Fran hatte recht. In der obersten Schublade lag tatsächlich eine getippte Fassung ihrer Karrierepläne – in zweifacher Ausfertigung.
Seit dem College hatte sie ihre Pläne allerdings ein wenig abgeändert. Fran hatte geheiratet, sich in Chicago niedergelassen und ihre frühere Zimmergefährtin dazu gedrängt, auch dorthin zu kommen und ihr Glück zu versuchen.
»Jahr eins: ein Job vor der Kamera in Kansas City«, erinnerte sich Deanna.
»Liegt hinter dir.«
»Jahr zwei: eine Stelle bei der CBC in Chicago.«
»Hast du bekommen.«
»Jahr drei: ein kleiner, aber feiner Programmteil in eigener Verantwortung.«
»Deannas Viertelstunde«, meinte Fran und prostete der aktuellen Sendung ihrer Freundin mit dem Ginger-ale zu.
»Jahr vier: die Moderatorin des Lokalteils der Abendnachrichten.«
»Auch das hast du bereits etliche Male getan, um für jemand anderen einzuspringen.«
»Jahr fünf: Probesendungen und Resümees auf heiligem Boden – New York.«
»Wo man deiner Kombination aus Stil, Anziehungskraft vor der Kamera und Aufrichtigkeit unmöglich wird widerstehen können – natürlich nur, wenn du aufhörst, dich weiterhin dauernd im nachhinein zu kritisieren.«
»Da hast du recht, aber …«
»Kein aber!« In diesem Punkt ließ Fran nicht mit sich reden und stützte sich mit den Füßen am Couchtisch ab. »Du machst gute Arbeit, Dee. Die Menschen reden mit dir, weil
du mitfühlst. Für eine Journalistin ist das ein Vorteil und keine Schwäche.«
»Aber es fördert nicht gerade meinen guten Schlaf.« Unruhig und ganz plötzlich erschöpft, fuhr Deanna sich mit der Hand durch die Haare, schlug die Beine übereinander und musterte das Zimmer mit grüblerischem Blick.
Da waren die zerbrechlich wirkende Eßecke, für die sie noch einen
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