Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Die Fahrt von Brooklyn Heights bis Manhattan würde zu einer frustrierenden Angelegenheit werden. Er zog sich seinen dicken Mantel und die Handschuhe an und setzte sich die Pelzkappe im russischen Stil auf, die ihm sein jüngster Sohn zu Weihnachten geschenkt hatte.
Der Wind wehte, warf ihm den nassen Schnee ins Gesicht, trieb ihn unter seinen Mantelkragen. Es war kurz vor sieben und so dunkel, daß die Straßenlampen noch brannten. Der Schnee dämpfte alle Geräusche und schien auch die ganze Luft zu erfüllen.
In ihrem sauberen Viertel war noch kein Mensch auf den Beinen, nur eine traurige Katze kratzte jämmerlich an einer Haustür.
Lew war viel zu sehr an die Winter in Chicago gewöhnt, um sich über einen Februarsturm in New York zu beklagen.
Er stapfte zu seinem Wagen und begann, die Windschutzscheibe freizumachen.
Die Märchenwelt, die sich hinter ihm gebildet hatte, würdigte er keines Blickes. Die niedrigen, immergrünen Pflanzen waren wie von weißem Zuckerguß überzogen, der Schneeteppich auf dem Winterrasen und dem Gehsteig war noch völlig unberührt, die Schneeflocken führten im trüben Licht der Straßenlampen ihren wirbelnden Tanz auf.
Lews Gedanken kreisten nur um die stumpfsinnige Plackerei, die Windschutzscheibe vom Schnee zu befreien und das Eis abzukratzen. Er dachte an den Schnee, der ihm unangenehm in den Kragen kroch, an den beißenden Wind an den Ohren, und an den Verkehr, mit dem er sich gleich auseinandersetzen mußte.
Leise hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Er drehte sich um und versuchte, im Schneetreiben etwas zu erkennen.
Einen Augenblick lang sah er nur weißen Schnee und den durch ihn getrübten Lichtschein der Straßenlampe.
Doch dann sah er es. Für einen kurzen Moment sah er es.
Der Schuß aus der Schrotflinte traf ihn mitten ins Gesicht, schleuderte seinen Körper nach hinten über die Motorhaube seines Wagens. Nicht weit entfernt begann ein Hund aufgeregt aufzujaulen. Die Katze flitzte davon und versteckte sich in einem schneebedeckten Wacholderbusch.
Das Echo des Schusses erstarb schnell, fast so schnell wie das Leben in Lew McNeil.
»Das war für Deanna«, flüsterte der Mörder und fuhr langsam davon.
Als Deanna wenige Stunden später von dem Mord erfuhr, drängte der Schock über die Bluttat den Brief, den sie auf ihrem Schreibtisch gefunden hatte, in den Hintergrund. Die Nachricht auf dem Blatt Papier lautete einfach:
Deanna, ich bin immer da für dich.
Neunzehntes Kapitel
D eanna rekelte sich in Finns großer Badewanne. Um sie herum wirbelte und pulsierte dampfendes Wasser. Die Augen halb geschlossen, hielt sie ein Glas mit einer schaumigen Flüssigkeit in der Hand. Es war Samstagmorgen, und sie hatte noch mehr als eine Stunde Zeit, bis Tim O’Malley, ihr Fahrer, sie für einen Auftritt in Merrillville, Indiana, abholte.
Faul und selbstgefällig wie eine in der Sonne zusammengerollte Katze lag sie da.
»Was feiern wir denn?«
»Du bist in der Stadt, und ich bin in der Stadt. Und wenn wir deinen Nachmittag auf der anderen Seite der Bundesstaatengrenze nicht rechnen, sieht es sogar so aus, als könnte das noch eine ganze Woche so bleiben.«
Von der anderen Seite der Wanne aus beobachtete Finn, wie sich ihre Spannung langsam löste. Seit Wochen war sie wie eine gespannte Feder gewesen. Länger sogar, dachte er, während er an seinem eisgekühlten Getränk nippte. Bereits vor dem sinnlosen und willkürlichen Mord an Lew McNeil war sie nur noch ein Nervenbündel gewesen. In den Wochen nach Lews Tod hatten sich ihre Gefühle von anfänglichen Gewissensbissen über Wut und Schuld zu Frustration über einen Menschen gewandelt, der alles getan hatte, um zum Erreichen seiner eigenen Ziele ihre Talk-Show nach besten Kräften zu sabotieren.
Oder damit Angela ihre Ziele erreichen konnte, theoretisierte Finn.
Jetzt jedoch lächelte sie, und ihr Blick war voller Freude. »In letzter Zeit war alles ein wenig chaotisch«, meinte sie.
»Du fliegst nach Florida, ich verfolge Präsidentschaftskandidaten
von einem Bundesstaat in den anderen. Beide versuchen wir, eine Sendung auf die Beine zu stellen, wobei uns auch noch die Presse und die Paparazzi dauernd auf den Fersen sind.« Er zuckte mit den Achseln, rieb seinen Fuß an ihrem glatten, schlüpfrigen Bein.
Für keinen aus ihrem oder seinem Mitarbeiterstab war es einfach gewesen, zu arbeiten, während sich die Aufmerksamkeit der Medien unaufhörlich auf ihre Beziehung richtete. Beide konnten sie sich beim
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