Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Abend essen. Sehr spät, beschloß sie, und trat mit schwungvollen Bewegungen aus dem Aufzug.
Vielleicht würde sie noch ein paar Weihnachtsgeschenke einpacken, die sie in letzter Minute gekauft hatte, oder Finn dazu überreden, Plätzchen zu backen. Sie könnte mit ihm auch noch ein paar neue Ideen zu ihrer Sendung durchgehen.
Das gleißende Sonnenlicht ließ sie reflexmäßig nach ihrer Sonnenbrille greifen. Dann kletterte sie auf den Rücksitz der wartenden Limousine.
»Hallo, Tim.« Sie schloß die Augen und entspannte sich. Im Auto war es schön warm.
»Hallo, Miss Reynolds.«
»Das ist ja noch ein wunderschöner Tag geworden.« Wie gewohnt griff sie nach der Flasche mit gekühltem Saft, der immer für sie bereitstand. Ihr Blick fiel auf den Rücken ihres Fahrers. Trotz der Wärme im Wagen trug er seinen Wintermantel und hatte die Dienstmütze tief ins Gesicht gezogen.
»Das kann man sagen.«
Während sie an dem Saft nippte, öffnete sie die Aktentasche. Die Akte mit der Aufschrift ›Hochzeitspläne‹ legte sie beiseite und griff statt dessen nach den Briefen, die Cassie heute für sie aus der Post herausgesucht hatte. Die Fahrt zum Büro und zurück war für Deanna immer Teil ihres Arbeitstages gewesen. Heute mußte sie die Zeit, die sie mit der Anprobe verbracht hatte, und die Zeit, die sie früher gegangen war, aufholen.
Doch beim dritten Brief verschwammen die Worte vor ihren Augen. Es gab keine Entschuldigung dafür, so früh am Tag so müde zu werden. Verärgert schob sie die Finger unter die Sonnenbrille und rieb sich die Augen. Doch ihr Blick wurde immer verschwommener, als hätte sie die Augen mit Öl betupft. Auf einmal drehte sich alles um sie herum, ganz plötzlich war ihr übel, ihr Arm sackte schwer auf den Sitz.
Ich bin so müde, dachte sie. Es ist so heiß. Wie in Zeitlupe versuchte sie, sich aus ihrem Mantel zu schälen. Die Papiere flatterten auf den Boden, und der Versuch, nach ihnen zu greifen, steigerte die Benommenheit nur noch.
»Tim.« Sie beugte sich nach vorne und drückte mit der Hand gegen die Lehne des Vordersitzes. Der Fahrer antwortete nicht. Das Wort hatte sich für sie allerdings ganz leise und wie von weit weg angehört. Verzweifelt bemühte sie sich, den vor ihr sitzenden Fahrer deutlich zu erkennen, als die halbleere Saftflasche aus ihren tauben Fingern glitt.
»Mit mir stimmt etwas nicht«, versuchte sie ihm noch mitzuteilen, dann rutschte sie auf den Plüschteppich des Limousinenbodens. »Irgend etwas ist überhaupt nicht in Ordnung mit mir.«
Aber er antwortete nicht. Sie hatte das Gefühl, durch den Limousinenboden hindurch in einen dunklen, unermeßlich tiefen Abgrund zu fallen.
Achtundzwanzigstes Kapitel
D eanna träumte, durch rotgetönte Wolken nach oben zu schweben, sich langsam und träge der Oberfläche zu nähern, von wo ein fahles, weißes Licht durch die nebligen Schichten drang. Sie stöhnte, weil sie sich so abmühte, nicht mit Schmerzen, sondern mit der Übelkeit, die sie wie eine Woge überkam und in ihrer Kehle brannte.
Abwehrend hielt sie die Augen geschlossen, machte lange, tiefe Atemzüge und kämpfte mit ihrer ganzen Willenskraft gegen den Brechreiz an. Tropfen feuchtkalten Schweißes perlten auf ihrer Haut, so daß die dünne Seidenbluse unangenehm an Armen und Rücken klebte.
Als das Schlimmste vorüber war, schlug sie vorsichtig die Augen auf.
Sie war im Auto gewesen, erinnerte sie sich. Tim hatte sie nach Hause gefahren, und ihr war schlecht geworden. Aber zu Hause war sie jetzt nicht. Vielleicht im Krankenhaus? fragte sie sich dumpf. Das Zimmer war in schwaches Licht getaucht, ein Muster aus zarten Veilchen überzog die Tapete. Die Rotorblätter eines weißen Deckenventilators brachten mit einem flüsternden Geräusch die Luft in Bewegung. Auf einer glänzenden Mahagonikommode präsentierte sich eine Sammlung von schönen, bunten Flaschen und Töpfen, während ein großer Weihnachtsstern und eine kleine, mit Silberglocken geschmückte Blaufichte für weihnachtliches Flair sorgten.
Ein Krankenhaus? dachte sie wieder. Noch völlig benommen versuchte sie, sich aufzurichten. Wieder drehte sich alles in ihrem Kopf, während diese abscheuliche Übelkeit wie eine Faust in ihren Magen stieß. Sie sah alles doppelt, und die
Hand, die sie ans Gesicht zu führen versuchte, war unsagbar schwer. Einen Augenblick lang konnte sie nichts anderes machen, als still dazuliegen und gegen die Übelkeit anzukämpfen. Erst jetzt sah sie, daß der Raum
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