Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
rutschte ihm die Brille auf der Nase nach unten. Während ihre Sicht zunächst verschwamm, dann erneut klar wurde, beobachtete sie, wie er die Brille wieder nach oben schob. Das war eine alte Gewohnheit von ihm, die ihn ihr einst sympathisch machte, jetzt aber das Blut in ihren Adern gefrieren ließ.
»Es gab Dinge, die mußtest du tun. Es waren Erfahrungen – und Männer –, die du erst aus deinem System wieder herausbekommen mußtest, bevor wir zusammen sein konnten. Ich hatte dafür Verständnis, Dee. Ich habe dir wegen Finn nie Vorwürfe gemacht, aber es tat mir weh.« Er legte die Hände auf die Knie und seufzte. »Ich gab dir keine Schuld. Und ihm konnte ich auch keine Schuld geben.« Sein Gesicht hellte sich wieder auf. »Wie hätte ich das auch tun können, zumal ich doch wußte, wie perfekt du bist? Als ich dich das erste Mal im Fernsehen sah, stockte mir der Atem. Das machte mir sogar ein wenig angst. Du hast mich ganz direkt angeschaut und tief in mich hineingeblickt. Das werde ich nie vergessen. Weißt du, davor war ich ungeheuer einsam, ein Einzelkind. Hier in diesem Haus bin ich aufgewachsen. Du ißt ja gar nichts, Deanna. Ich wünschte mir, du würdest etwas essen.«
Gehorsam nahm sie ihre Gabel. Er wollte sprechen, schien
regelrecht darauf erpicht zu sein. Die beste Art, zu entkommen, war wahrscheinlich, Verständnis aufzubringen. »Du hast mir doch erzählt, du bist in Iowa aufgewachsen.«
»Dahin hat mich meine Mutter später mitgenommen. Meine Mutter war eine wilde Frau.« Der entschuldigende Unterton schlich sich wieder in seine Stimme. »Sie hörte auf niemanden und hielt sich an keine Regeln. Darum mußte Onkel Matthew sie natürlich bestrafen. Er war älter, weißt du, das Familienoberhaupt. Er hielt sie in diesem Raum hier gefangen und versuchte ihr zu zeigen, daß man Dinge auf die richtige und anständige Weise tun, sich aber auch falsch verhalten konnte.« Sein Gesicht veränderte sich während seiner Erzählung. Um den Mund und die Augen herum spannte es sich an und wirkte irgendwie älter und strenger. »Aber ganz gleich, wie sehr mein Onkel auch versuchte, meine Mutter zu erziehen, sie lernte nichts. Sie lief weg und wurde schwanger. Als ich sechs war, holten sie sie ab. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch, und ich kam zu Onkel Matthew. Sonst gab es keinen, der mich bei sich hätte aufnehmen können, und bei ihm gehörte es zu den Pflichten, die er gegenüber seiner Familie besaß.«
Deanna würgte einen Bissen von der Pasta hinunter. Sie klebte wie Teig in ihrer Kehle, doch hatte sie Angst, von dem Wein zu kosten. Vielleicht hat er ihn ähnlich wie die Saftflasche vergiftet, dachte sie. »Das tut mir leid, Jeff. Das mit deiner Mutter.«
»Ist schon okay.« Er tat es mit einem Achselzucken ab wie eine sich häutende Schlange ihre leere Hülle abwirft. Wie ein von sorgsamen Händen glattgestrichenes Bettlaken glättete sich auch sein Gesicht wieder. »Sie hat mich nicht geliebt. Außer meinem Onkel Matthew hat mich sowieso keiner geliebt. Und außer dir. Das ist übrigens nur Wein, Dee. Deine Lieblingssorte.« Jeff grinste über den Witz, nahm das Glas und nippte daran, um es ihr zu beweisen. »Da habe ich nichts hineingetan. Das mußte ich ja auch nicht, denn jetzt bist du ja hier. Bei mir.«
Ganz gleich, ob er nun noch etwas in den Wein hineingetan hatte oder nicht, sie mied ihn, denn sie war sich nicht sicher
darüber, wie er sich mit den Drogen in ihrem Körper vertragen würde. »Was geschah mit deiner Mutter?«
»Sie war schwachsinnig und starb. Ist dein Essen in Ordnung? Ich weiß, Pasta ist dein Lieblingsgericht.«
»Es ist lecker.« Sie schob sich einen weiteren Bissen zwischen die steifen Lippen. »Wie alt warst du, als sie starb?«
»Ich weiß es nicht. Ist auch egal. Hier bei meinem Onkel war ich glücklich.« Es machte ihn nervös, über seine Mutter zu sprechen, daher tat er es auch nicht länger. »Er war ein großartiger Mann. Stark und gut. Er mußte mich fast nie bestrafen, weil ich auch gut war. Mit mir mußte er nicht so viel durchmachen wie mit meiner Mutter. Wir paßten gut aufeinander auf.« Jetzt sprach Jeff sehr schnell, wurde ganz aufgeregt. »Onkel Matthew war stolz auf mich. Ich lernte tüchtig und habe nie mit den anderen Kindern herumgelungert. Ich brauchte die anderen Kinder nicht. Ich meine, die wollten nur in schnellen Flitzern herumsausen, laute Musik hören und sich mit ihren Eltern in den Haaren liegen. Ich hatte Respekt. Und ich vergaß
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