Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
kalten Bier in der Hand. Chicago war wie ein Raufbold.
Einem anständigen Kampf vertraute Finn viel mehr als einer verführerischen Situation.
In Manhattan kannte er sich aus. Er hatte dort für kurze Zeit bei seiner Mutter gelebt, als seine Eltern probeweise versuchten, ihre Beziehung in getrennten Wohnungen aufrechtzuerhalten. Wie oft sie das versucht hatten, bevor sie schließlich die unvermeidliche Scheidung einreichten, wußte er nicht mehr.
Er erinnerte sich, wie vernünftig, wie gefühllos und wie höflich die beiden immer gewesen waren. Ihn hatten sie zu Haushälterinnen und Sekretärinnen und in verschiedene Vorschulen abgeschoben, vermutlich, um ihm diesen meisterhaft choreographierten Streit zu ersparen. In Wirklichkeit konnten weder seine Mutter noch sein Vater viel mit einem kleinen Jungen anfangen, der direkte Fragen stellte und sich nicht mit zwar logischen, aber keineswegs zufriedenstellenden Antworten abspeisen ließ, das war Finn klar.
So hatte er in Manhattan, auf Long Island, in Connecticut und in Vermont gelebt. Die Sommer hatte er in Bar Harbor
und Martha’s Vineyard verbracht, und in den ehrwürdigen Hallen von drei der angesehensten Privatschulen Englands hatte er seine Zeit abgesessen.
Vielleicht war das auch der Grund dafür, warum er es so schlecht an einem Platz aushielt. Sobald er begann, irgendwo Wurzeln zu schlagen, fühlte er sich moralisch verpflichtet, diese Wurzeln zu kappen und weiterzuziehen.
Jetzt hielt er sich – vorübergehend – wieder in New York auf, und er kannte die Kehrseite dieser Stadt genausogut wie das vornehme Penthouse seiner Mutter am Central Park West.
Eigentlich konnte er nicht einmal sagen, ob er das eine dem anderen vorzog. Genausowenig hätte er klar sagen können, daß es ihn störte, ein paar Tage bei Der fröhliche Wecker einzuschieben.
Im Augenblick jedoch schob er alle Gedanken an New York beiseite und konzentrierte sich auf den Ball, der genau auf seine Nase zuschoß. Beim Squash genoß er nicht so sehr das Element der Selbstverteidigung als vielmehr das Kräftemessen, und die Strapazen in der Halle waren ihm nach den vielen Stunden, die er in den letzten Tagen auf einem Sofa im Studio verbracht hatte, als Abwechslung weiß Gott willkommen.
Er schlug einen Slice, die Anstrengung entlockte ihm ein Grunzen, das vom Geräusch des von der Wand abprallenden Balles übertönt wurde. Sein Arm schwirrte von der Wucht des Schlages, dessen Echo in seinem Kopf nachhallte. Ein Adrenalinstoß schoß durch seinen Körper, als sein Gegner den Ball zurückschlug.
Finn nahm ihn mit einer soliden Rückhand. Der Schweiß rann ihm den Rücken hinab und sorgte für dunkle Flecken auf seinem abgewetzten T-Shirt. Die nächsten fünf Minuten bestand die Welt nur aus dem Schlagen der Bälle und deren Echo, den Geräuschen angestrengten Atmens und Schweißgeruch.
»Mistkerl!« Barlow James ließ sich gegen die Wand sinken, als Finn einen Ball an ihm vorbeizischen ließ. »Du machst mich fertig.«
»Blödsinn.« Finn gab sich nicht lange mit der Wand ab, sondern glitt einfach auf den Boden des Vertical Club. Jeder
Muskel in seinem Körper schmerzte. »Das nächste Mal bringe ich eine Pistole mit. Das macht es für uns beide einfacher.« Er griff nach einem Handtuch und wischte sich das schweißnasse Gesicht ab. »Wann zum Teufel wirst du eigentlich endlich alt?«
Barlows Lachen bellte von den Wänden der Halle zurück. Er war ein muskulöser Mann, einen Meter fünfundachtzig groß, mit flachem Bauch, breiter Brust und Schultern wie Betonblöcken. Mit dreiundsechzig zeigte er noch keine Tendenz, langsamer zu werden. Als er zu Finn hinüberging, zog er sich ein stechend orange gefärbtes Schweißband von seinem silbergrauen Haarschopf. Finn hatte häufig an Mount Rushmore denken müssen, wenn er Barlows Gesicht sah; es war zerfurcht, riesig und kraftvoll.
»Du wirst allmählich weich, Junge.« Barlow holte eine Flasche Mineralwasser aus seiner Sporttasche und warf sie Finn zu. Eine zweite Flasche behielt er bei sich und trank in großen, gierigen Schlucken daraus. »Dieses Mal hätte ich dich beinahe besiegt.«
»Ich habe zuletzt mit Briten gespielt.« Da Finn fast wieder zu Atem gekommen war, grinste er zu Barlow hoch. »Die sind nicht so gemein wie du.«
»Nun, willkommen in den Vereinigten Staaten.« Barlow reichte ihm eine Hand und zog Finn hoch. Der Griff ähnelte dem eines freundlichen Grizzlybären. »Weißt du, die meisten Leute würden die Stelle in
Weitere Kostenlose Bücher