Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
nur profitieren kann.«
»Ich bin froh, daß ich dir helfen konnte.« Deanna hob eine Hand und spielte mit ihrem linken Ohrring. Sie würde noch lernen müssen, diese Geste, mit der ihre Unschlüssigkeit offenkundig wurde, zu kontrollieren. »Angela, es ist mir peinlich,
dich das zu fragen, aber meine Mutter ist ein großer Fan von Deke Barrow.«
»Und du möchtest gerne ein Autogramm.«
Ein verlegenes Lächeln huschte über Deannas Lippen, dann brachte sie die CD zum Vorschein, die sie hinter ihrem Rücken versteckt hatte. »Sie würde sich sehr freuen, wenn er die für sie signieren könnte.«
»Laß sie mir einfach da.« Angela klopfte mit einem vollendeten, auf französische Art manikürten Finger gegen den Rand der CD. »Wie heißt deine Mutter doch gleich noch mal, Dee?«
»Marilyn. Dafür bin ich dir wirklich sehr dankbar, Angela.«
»Für dich tue ich doch alles, meine Liebe.« Angela wartete einen Augenblick; ihr exzellentes Timing war schon immer eine ihrer Stärken gewesen. Dann sagte sie: »Ach, könntest du mir einen kleinen Gefallen tun?«
»Aber natürlich.«
»Würdest du bitte einen Tisch bei La Fontaine für mich reservieren? Halb acht, zwei Personen. Ich bin einfach nicht dazu gekommen, das selbst zu erledigen, und habe vergessen meiner Sekretärin zu sagen, sie solle sich darum kümmern.«
»Kein Problem.« Deanna zog einen kleinen Schreibblock aus der Tasche, um sich eine Notiz zu machen.
»Du bist ein Schatz, Deanna.« Angela erhob sich und überprüfte mit einem letzten Blick in den Drehspiegel, daß mit ihrem blaßblauen Kostüm auch alles in Ordnung war. »Wie findest du diese Farbe? Sie wirkt doch nicht zu verwaschen, oder?«
Deanna wußte, daß Angela sich über jedes Detail ihrer Show von der Zuschauerbefragung bis zum richtigen Schuhwerk ihre Gedanken machte. Sie nahm sich daher die Zeit, die Farbe bewußt auf sich wirken zu lassen. Der zarte Stoff paßte wunderbar zu Angelas wohlgeformter Figur. »Erfrischend weiblich«, meinte Deanna.
Die Spannung in Angelas Schultern löste sich. »Dann ist es ja genau richtig. Bleibst du noch bis zur Aufzeichnung?«
»Nein, ich muß noch ein Manuskript für das Mittagsmagazin schreiben.«
»Ah ja.« Die Verärgerung war nur für einen kurzen Augenblick sichtbar. »Ich hoffe, daß du nicht in Verzug gekommen bist, weil du mir so häufig ausgeholfen hast.«
»Der Tag hat vierundzwanzig Stunden«, sagte Deanna, »und von diesen lasse ich keine einzige ungenutzt. Aber jetzt will ich dich nicht länger von deinen Sachen abhalten.«
»Mach’s gut, meine Liebe.«
Deanna schloß die Tür hinter sich. Alle wußten, daß Angela darauf bestand, die letzten zehn Minuten vor ihrem Auftritt ganz für sich zu haben. Es wurde vermutet, daß sie diese Zeit dazu nutzte, noch einmal ihre Notizen durchzugehen, aber das war natürlich Blödsinn, denn sie war immer bestens vorbereitet. Angela ließ die Leute aber ganz gerne in dem Glauben, sie würde noch einmal ihre Informationen auffrischen oder gar einen schnellen Schluck aus der Flasche Brandy nehmen, die sie in ihrem Toilettentisch aufbewahrte.
Selbstverständlich rührte sie den Brandy nicht an. Die Notwendigkeit, die Flasche dort in greifbarer Nähe zu wissen, erschreckte und tröstete zugleich.
Solange niemand wußte, was sie in dieser Zeit tatsächlich machte, sollten die Leute doch glauben, was sie wollten.
Angela Perkins hatte in diesen letzten einsamen Momenten vor jeder Aufzeichnung panische Angst. Sie, eine Frau, die das Bild allergrößten Selbstvertrauens erweckte, die Präsidenten, Mitglieder der Königsfamilie, Mörder und Millionäre interviewt hatte, litt dann immer wieder unter heftigem Lampenfieber.
Hunderte von Therapiestunden hatten das Zittern, die Schweißausbrüche und die Übelkeit nicht lindern können. Hilflos brach sie jedes Mal in ihrem Stuhl zusammen und wurde ganz auf sich zurückgeworfen. Dreifach zeigte der Spiegel das Bild der eleganten, perfekt zurechtgemachten und sich makellos präsentierenden Frau. Der glasige Blick verriet das Entsetzen plötzlicher Selbsterkenntnis.
Angela preßte die Hände gegen die Schläfen und ließ der kreischenden Dampfwalze ihrer Angst freien Lauf. Heute
würde sie stolpern, heute würden alle ihrem Tonfall entnehmen, daß sie aus der hintersten Provinz stammte. Die Leute würden das kleine, ungeliebte und unerwünschte Mädchen sehen, dessen Mutter die über den Fernsehbildschirm huschenden Bilder ihrem eigenen Kind aus Fleisch und
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