Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
vierundzwanzigstündige Reise zu ihren Eltern. Mit dem letzten Flugzeug des zweiten Weihnachtsfeiertages kehrte sie in das bitterkalte Chicago zurück.
Schwer beladen mit Gepäck, Geschenken und Keksen aus Topeka schloß sie die Wohnungstür auf. Ihr Blick fiel als erstes auf den schlichten weißen Briefumschlag, der direkt hinter der Tür auf dem kleinen Teppich lag. Beklommen stellte sie die Taschen beiseite. Es überraschte sie nicht, im Umschlag ein Blatt Papier zu finden oder die mit dunkelroter Farbe getippten Sätze zu sehen.
Frohe Weihnachten, Deanna.
Ich liebe es, dir jeden Tag zuzusehen.
Ich liebe es, dir zuzusehen.
Ich liebe dich.
Sonderbar, dachte sie, doch wenn sie sich an einige der bizarren Briefe erinnerte, die ihr seit August unter die Augen gekommen waren, kam ihr dieser ziemlich harmlos vor. Sie stopfte das Blatt Papier in die Tasche und hatte gerade das Innenschloß zuklappen lassen, als auf der anderen Seite der Tür ein Klopfen zu hören war. Mit einer Hand zog sie sich ihre Wollkappe vom Kopf, mit der anderen öffnete sie die Tür.
»Marshall.«
Sein Mantel hing ordentlich zusammengefaltet über seinem Arm. »Deanna, reicht es nicht jetzt allmählich? Du hast auf keinen meiner Anrufe geantwortet.«
»Da gibt es auch nichts mehr zu antworten. Marshall, ich bin gerade erst nach Chicago zurückgekehrt, müde, hungrig und überhaupt nicht in der Stimmung für ein höfliches Gespräch.«
»Wenn ich meinen Stolz soweit zurückstecken kann, daß
ich hierherkomme, kannst du mich ja wohl zumindest hereinbitten.«
»Dein Stolz?« Sie spürte, wie sie wütend wurde. Nach so wenigen Worten war das ein schlechtes Zeichen, das war ihr bewußt. »Na gut, komm rein.«
Er blickte auf ihre Taschen, als er durch die Tür trat. »Du warst über Weihnachten bei deinen Eltern?«
»Ja.«
Marshall legte seinen Mantel über eine Stuhllehne. »Und geht es ihnen gut?«
»Sie sind gesund und munter, Marshall. Ich bin allerdings nicht gerade in der Stimmung für dieses nette Geplauder. Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es jetzt.«
»Ich glaube nicht, daß wir die Sache, um die es geht, auflösen können, solange wir uns nicht hinsetzen und darüber sprechen.« Er deutete auf das Sofa. »Bitte.«
Deanna streifte sich den Mantel von den Schultern und nahm statt dessen auf einem Stuhl Platz. Sie verschränkte die Hände auf dem Schoß und wartete.
»Die Tatsache, daß du immer noch wütend auf mich bist, beweist, daß zwischen uns noch Gefühle da sind.« Er setzte sich hin, ließ die Hände auf seinen Knien ruhen. »Ich habe erkannt, daß der Versuch, direkt nach dem Vorfall die Situation aufzulösen, ein Fehler war.«
»Der Vorfall? Sollen wir das mit diesem Wort benennen?«
»Auf beiden Seiten sind zu viele Emotionen an die Oberfläche gespült worden«, fuhr er ruhig fort, »die es schwierig machten, Entgegenkommen zu zeigen und uns auf konstruktive Weise abzureagieren.«
»Ich reagiere mich nur selten auf konstruktive Weise ab.« Sie mußte lächeln, aber die Wut in ihren Augen blieb. »Vermutlich hätten wir uns besser kennen müssen, damit du merkst, daß unter bestimmten Umständen mit mir überhaupt nicht gut Kirschen essen ist.«
»Das verstehe ich.« Er war überaus erfreut darüber, daß sie sich wieder miteinander verständigen konnten. »Weißt du, Deanna, ich glaube, daß ein Teil unserer Schwierigkeiten darauf beruht, daß wir uns nicht so gut kannten, wie wir es
hätten tun sollen. Daran trifft uns beide die Schuld, aber es ist auch eine sehr menschliche und ganz natürliche Tendenz, nur die besten Seiten von sich zu zeigen, wenn sich eine Beziehung entwickelt.«
Sie mußte tief Luft holen und sich mächtig am Riemen reißen, um sitzen zu bleiben, als der Drang, aufzuspringen und ihm eine Ohrfeige zu verpassen, in ihr aufstieg. »Wenn du uns in diesem Punkt beiden die Schuld geben willst, habe ich nichts dagegen – insbesondere, seitdem ich nicht mehr die Absicht habe, mit dir jemals über dieses Stadium hinauszugehen.«
»Deanna, wenn du ehrlich bist, wirst du zugeben, daß wir dabei waren, etwas ganz Besonderes zwischen uns entstehen zu lassen.« Als guter Therapeut hielt er seinen Blick fest auf sie gerichtet und sprach mit sanfter und beruhigender Stimme. »Unser Intellekt, unsere Vorlieben haben sich getroffen.«
»Ich glaube, der Begegnung unseres Intellekts und unserer Vorlieben wurde ein jähes Ende bereitet, als ich in Angelas Büro kam und feststellen mußte, daß ihr
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