Tödliche Liebe: Roman (German Edition)
Sessel hoch und lief nervös im Büro hin und her, was durch ihren Watschelgang ziemlich drollig aussah. »Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen. Am besten wäre es gewesen,
wir hätten das zunächst bei einem jungen Hund geübt. Jetzt bin ich bald für einen anderen Menschen verantwortlich und habe bisher noch nicht einmal einen Sparfonds für das College eingerichtet.«
In den letzten Wochen hatte sich Deanna an Frans Gefühlsausbrüche gewöhnt. Sie lehnte sich zurück und lächelte. »Spielen die Hormone wieder verrückt?«
»Und ob! Ich werde jetzt einmal nach Simon suchen und die Einschaltquoten von letzter Woche überprüfen – und dabei so tun, als sei ich ein ganz normaler, gesunder Mensch.«
»Danach gehst du aber nach Hause«, drängte Deanna. »Iß eine Tüte Kekse und schau dir im Kabelfernsehen einen alten Film an.«
»Okay. Ich schicke dir Jeff, damit er die Spielsachen abholt und nach unten ins Studio bringt.«
Dann war Deanna allein. Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen. Nicht nur Fran war in diesen Tagen gereizt, beim gesamten Stab lagen die Nerven bloß. Entweder wurde in sechs Wochen der Vertrag mit Delacort über Deannas Stunde verlängert oder sie waren alle arbeitslos.
Die Einschaltquoten waren zwar ganz langsam gestiegen, aber genügte das? Sie wußte, daß sie alles in die Show steckte, was sie zu geben hatte, und dazu das, was sich sonst noch an Zeit herausschinden ließ, in Public Relations und Presseveranstaltungen investierte, auf denen Loren bestand. Doch war auch das genug?
Die Testphase war jetzt fast vorüber, und wenn Delacort beschloß, die Show abzusetzen …
Voller Unruhe stand sie wieder auf und drehte sich zum Fenster um. Sie fragte sich, ob auch Angela wohl jemals hier oben gestanden und sich mit Sorgen um etwas so Grundlegendes wie einem einzigen Prozentpunkt bei den Einschaltquoten abgequält haben mochte. Hatte auch sie gespürt, wie das Gewicht der Verantwortung schwer auf den Schultern lastete – Verantwortung für die Sendung, den Mitarbeiterstab, die Werbetreibenden? War sie deswegen so hart geworden?
Deanna rollte ihre verspannten Schultern. Nicht nur ihre Karriere würde zusammenbrechen, wenn die Talk-Show wieder
aus dem Programm gestrichen wurde, dachte sie. Sechs andere Menschen hatten ebenfalls ihre Zeit, ihre Kraft und, ja, ihr Selbstwertgefühl in dieses Produkt investiert – sechs andere Menschen, die Familie hatten und ihre Hypotheken, Raten für die Autos und Zahnarztrechnungen bezahlen mußten.
»Deanna?«
»Ja, Jeff. Wir müssen diese ganzen Spielsachen nach unten …« Der Satz verlor sich, als sie sich umdrehte und ihr Blick auf eine über zwei Meter große Plastikfichte fiel. »Wo in aller Welt hast du denn die her?«
»Oh, die habe ich aus einem Lagerraum mitgenommen.« Jeff trat hinter dem Baum hervor, seine Wangen glühten vor Nervosität und körperlicher Anstrengung. Ganz langsam glitt seine Brille über den Nasenrücken nach unten. Seine Jungenhaftigkeit hatte etwas Liebenswertes. »Ich dachte, die gefällt dir vielleicht.«
Lachend begutachtete Deanna den Baum. Mit seinen nach unten hängenden Plastikzweigen und der giftgrünen Farbe, die unmöglich jemand für natürlich halten konnte, war er eher ein Bild des Jammers. Sie sah Jeffs Grinsen und lachte erneut. »Dieser Baum ist genau das, was ich brauche. Komm, wir stellen ihn vor das Fenster.«
»Da unten kam er mir ein wenig einsam vor.« Jeff stellte ihn genau vor die Mitte der Fensterscheibe. »Ich dachte, mit ein bißchen Schmuck …«
»Mitgenommen hast du ihn also.«
Er zuckte mit den Achseln. »In diesem Gebäude gibt es eine Menge Sachen, die seit Jahren kein Mensch mehr benutzt – oder gesehen hat. Ein paar elektrische Kerzen und ein paar Kugeln, und er wird großartig aussehen.«
»Und viele gelbe Bänder«, meinte sie und dachte an Finn. »Danke, Jeff.«
»Alles wird gut werden, Deanna.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, drückte sie kurz und scheu. »Mach dir nicht so viele Sorgen.«
»Du hast recht.« Sie legte ihre Hand auf seine. »Du hast völlig recht. Wir sollten den Rest des Teams hochholen und dieses Schätzchen hier schmücken.«
Die Weihnachtsferien hindurch arbeitete Deanna mit dem hell erleuchteten Plastikbaum im Rücken. Indem sie mit ihren Terminen wahre Jongleurakte zustande brachte und drei Achtzehnstundentage einlegte, verschaffte sie sich während der Feiertage die Zeit für eine hektische
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