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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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ruckten ihre Augenbrauen in die Höhe.
    „Es war ziemlich albern, wie ich zugeben muss. Total kindisch.“
    Als sie selbst darauf nicht einging, ergänzte er zerknirscht: „Affentheater. Imponiergehabe.“
    „Ihr habt euch in der Tat benommen wie zwei brünstige Idioten.“
    „Ja.“ Er fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten Haare und strich über sein noch immer unrasiertes Kinn.
    „Nun s puck ’s schon aus“, kam sie ihm zu Hilfe.
    „Es g eht mich vielleicht nichts an.“ Mit einem schiefen Lächeln schüttelte er den Kopf. „ Sorry , es geht mich selbstverständlich überhaupt nichts an. Aber er …“
    „ … heißt Alain.“
    „ Schon gut, also Alain. Wieso wird ihm, der seit Stunden außer Kaffee nichts in den Wanst gekriegt hat, urplötzlich dermaßen übel, dass er Neptun opfert? Ich habe mir stets eingebildet – im Gegensatz zu euch zwei Frauen zu Recht – ein ganz passabler Koch zu sein.“
    Seine Augen lachten nicht bei diesem Scherz, sondern hielten Beates Blick gefangen, als er seine Hand auf ihren Arm legte. Es war lediglich eine kleine, unbedeutende Geste, nichtsdestotrotz fühlte sie seine Kraft auf sich übergehen. Eine wohltuende Ruhe breitete sich in ihr aus.
    „Komm, setz dich.“
    Beate ließ sich vor dem Sofa auf den Teppich sinken und lehnte sich zurück.
    „Willst du mir sagen, was mit ihm los ist?“
    „Es ist nicht ansteckend. Du musst also keine Angst haben“, wehrte sie müde ab. „ Und dass du ein famoser Koch bist, muss ich nicht extra betonen. Und ich habe auch nicht vergessen, dass du keiner Fliege was zuleide tun könntest.“
    Verlegen zuckte er mit der Schulter.
    „Sein Arzt nennt das, wenn ich mich recht entsinne, posttraumatisch-psychoreaktives Stresssyndrom. Was immer das auch bedeuten mag, es beherrscht Alains Leben seit einem … unschönen Vorfall vor einigen Monaten. Es tritt in unregelmäßigen Abständen und meist ohne Vorwarnung auf. Wir verbringen nicht allzu viel Zeit miteinander. Wir … na ja, es läuft ein wenig … ungewöhnlich zwischen uns.“
    Beat e verdrehte die Augen und hob mit einer hilflosen Geste die Hände in die Höhe. „Wir verstehen uns nicht besonders … nicht sonderlich gut und … und deshalb fällt mir sein eigenartiges Verhalten bloß gelegentlich auf, meistens wenn wir beim Essen sitzen. Es hat lange gedauert herauszufinden, auf welche Speisen er allergisch reagiert.“
    Sie schüttelte den Kopf und präzisierte: „Also, nicht allergisch im herkömmlichen Sinne, sondern … so … so wie eben halt. Aus Rücksicht auf ihn verzichte ich inzwischen sogar auf Milch. Es gibt kein Rührei mehr zum Frühstück, weder Grieß- noch Reisbrei. Keine Eiskrem. Nichts Pampiges, Schlabberiges, keine süßen Leckereien, die ich doch so liebe.“
    „ Keinen Joghurt.“
    „Joghurt. Komisch, was? Ich wa r, gelinde ausgedrückt, überrascht, dich hier zu anzutreffen, sodass ich alles andere ausgeblendet habe. Ich war so froh, dich wiederzusehen, dass ich Alain einfach vergessen habe.“ Sie lachte schrill auf und ließ ihre Hand an die Stirn klatschen. „Alain – vergessen! Ich! Ausgerechnet ihn!“
    Anscheinend hielt sie es für ein Kapitalverbrechen, diesen Bekannten, wie sie ihn zurückhaltend bezeichnete, einen Moment aus den Augen gelassen zu haben , und gab sich die Schuld an seinem Dilemma. Aber wieso frühstückten sie gemeinsam, wenn sie sich nicht besonders gut verstanden? Und wieso sollte sie ausgerechnet ihn nicht vergessen dürfen?
    „ Das darf mir nicht passieren, verstehst du? Ich habe es doch gewusst! Ich wusste genau, wie er darauf reagieren würde. Merde !“
    Nachdenklich hatte Jasdan ihr zugehört , während sich eine tiefe Falte in seine Stirn grub und seine grauen Zellen in Fahrt kamen. „In einer der letzten Vorlesungen vor den Ferien habe ich von dieser Art Hysterie gehört.“
    „Er ist nicht hysterisch!“
    „ Natürlich nicht. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Hysterie ist eine Art posttraumatischer Stressverarbeitung. Sie tritt auf, wenn ein Patient einer Extrembelastung ausgesetzt war. Das kann irgendein Ereignis gewesen sein, das außerhalb der normalen menschlichen Erfahrung liegt. Könnte das bei ihm der Fall sein?“
    Als Beate lediglich nickte, fuhr er fort: „ Im Unterbewusstsein überträgt der Patient dieses Trauma später auf etwas anderes in dem Versuch, sich selbst quasi vor der Erinnerung daran zu schützen. Dabei können körperliche Beschwerden auftreten – Übelkeit, Schmerzen,

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