Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
verschwommenen Blick auf den Türgriff. Aber er war nicht imstande, danach zu greifen und ihn nach unten zu drücken.
    Warum hatte man ihn in diese Zelle gebracht? Die Enge des Raumes erdrückte ihn und doch wagte er nicht, die Tür zu öffnen. Sein Herz schien unvermittelt immer langsamer zu schlagen. Die Brust wurde ihm eng, bis er um jeden einzelnen Atemzug ringen musste und ihm kalter Schweiß in Strömen von der Stirn lief. Die Wände der Zelle drehten sich schneller und schneller um ihn.
    Und dann schrie Alain Germeaux wie ein verwundetes Tier auf.
     
    Er hörte nicht, wie sich eilige Schritte näherten und die Tür aufgestoßen wurde. Zu Tode erschrocken fuhr er herum, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Mit angstvoll aufgerissenen Augen und angehaltenem Atem stolperte er rückwärts. Dass er dabei mit dem Fuß an einem Stuhlbein hängen blieb und im Fallen sein Schädel hart an den Heizkörper krachte, schien er nicht zu bemerken. Er kroch in die hinterste Ecke des Raumes und zog seine Knie wie eine Mauer bis dicht an sein Kinn. Schützend hielt er die Arme über seinen Kopf und wimmerte leise, als wäre alle Kraft für einen Schrei aus ihm gewichen.
    „Guten Morgen, Monsieur“, hörte er wie von fern die dunkle Stimme einer Frau. „Mein Name ist Isabelle Didier. Ich bin Psychologin und hier, um Ihnen zu helfen.“
    Misstrauisch und irritiert blickte Alain unter halb geschlossenen Lidern die Fremde an , wobei er nicht wagte, den Kopf zu heben aus Angst, unnötig Aufmerksamkeit zu erregen.
    „Eine Polizeistreife hat Sie gestern im Park St. Claude aufgegriffen. Die Jungs haben Sie mit auf unser Revier genommen, weil … nun, Sie konnten sich nicht ausweisen und wollten auch Ihren Namen nicht nennen. Können Sie sich daran erinnern?“
    Er schwieg unbeirrt. Isabelle Didier konnte förmlich hören, wie dem jungen Mann die Gedanken im Kopf herumschwirrten. Seine Lippen formten tonlose Worte. Im Park. Polizei.
    Polizei? Wieso? Was war in der vergangenen Nacht im Park geschehen? überlegte er fieberhaft. Erinnere dich! Denk nach! Hatte er sein geschwollenes Auge den Flics zu verdanken? Zur Hölle, er wusste nicht, ob er sich mit einem Polizisten geprügelt hatte.
    Er wusste nicht einmal mehr, wann er das letzte Mal bei klarem Verstand gewesen war.
    Der Park! Natürlich erinnerte er sich daran. Er war in diesem Park ständig mit dem Alten zusammen gewesen. Was war mit Rumpelstilzchen? Warum hatte er ihn allein gelassen?
    „Möchten Sie ein Glas Wasser haben?“
    Alain fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten, rissigen Lippen, als müsste er sich auf diese Weise Antwort auf die Frage holen. Erleichtert registrierte Isabelle Didier sein zaghaftes Nicken. Doch sie bemerkte genauso den wachsamen, fast argwöhnischen Blick, mit dem er jede ihrer Bewegungen verfolgte. Mit der ihr eigenen Bedächtigkeit nahm sie ein Glas von der Ablage über dem Waschbecken, füllte es mit frischem Wasser und reichte es Alain.
    Hastig schüttete er das Wasser in sich hinein , seine Hände allerdings zitterten dermaßen, dass die Hälfte danebenlief. Mit dem vor Dreck starrenden Ärmel seines Pullovers, der unter der Jacke hervor hing, wischte er sich über das nasse Kinn. Beschämt hielt er inne, als er den Blick der Frau auf sich gerichtet sah.
    Isabell e Didier lächelte freundlich, ihre Augen strahlten Ruhe und Verständnis aus. „Wollen Sie nicht aufstehen und sich zu mir setzen? Hier ist es bestimmt bequemer als auf dem kalten Boden.“ Sie deutete mit einladender Geste auf den zweiten Stuhl an dem kleinen Tisch.
    Aber Alain zog seine Knie noch dichter an seinen schlotternden Körper und schlang seine Arme um die Beine. Eindrucksvoller ließ sich nicht demonstrieren, dass er überhaupt nicht daran dachte, seinen vermeintlich sicheren Platz in der Ecke zu verlassen.
    „Oh, das macht nichts. Es ist schon in Ordnung, wirklich.“
    Er atmete kaum hörbar auf. Noch immer beäugte er aufmerksam Isabelle Didier, die sich unbekümmert gab und ihm zweifellos den Eindruck vermitteln wollte, sie würde sich rein zufällig in diesem Raum aufhalten. Sie war um die vierzig, klein und von runder Statur. Mit ihren bereits leicht ergrauten Haaren verkörperte sie für Alain die Mutterfigur, die es in seinem Leben nie gegeben hatte. Er mochte ihre warmen, ehrlichen Augen. Sie erinnerten ihn an …
    Beate!
    Alain presste seine flache Hand auf die Brust, als hätte er Angst, sein Herz könnte sonst zerspringen. Zentnerschwer

Weitere Kostenlose Bücher