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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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lastete die Erinnerung an Beate auf ihm. Hatte er ihr nicht blind vertraut? Mehr als er je einer Frau vertraut hatte? Er hätte ihr jederzeit und ohne Bedenken sein Leben anvertraut. Aber wo war sie jetzt, da er sie so dringend brauchte?
    Nein! Er durfte niemandem trauen. Nicht einmal seine Mutter hatte ihn haben wollen, sondern gleich nach seiner Geburt verlassen. Für einen wie ihn würde es nie jemanden geben, der ihm um seiner selbst willen Zuneigung und uneigennützige Hilfe schenkte. Alleingelassen werden war sein zweiter Name, hatte er noch vor wenigen Wochen Beate gegenüber gescherzt. Und nun hatte ausgerechnet sie seine Worte bestätigt.
    Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich über die blutunterlaufenen Augen, um damit ein für allemal ihr Bild aus seinem Gedächtnis zu löschen.
    „Wie geht es Ihnen, Monsieur? Sie haben sich ziemlich schlimm am Heizkörper gestoßen. Haben Sie starke Schmerzen?“
    Alain schüttelte matt den Kopf, um seine Mundwinkel jedoch zuckte es verräterisch. Er fühlte sich total mies und das war auch nicht zu übersehen. Sein Schädel schien jede Sekunde zu zerplatzen und das nicht nur als Folge übermäßigen Alkoholgenusses. In seinen Eingeweiden rumorte es verdächtig.
    „Darf ich mir Ihren Kopf ansehen? Vielleicht muss die Wunde …“
    Die blauen Augen des Mannes verfärbten sich undurchdringlich schwarz , bis er seine Lider fest aufeinander presste und er vor Anspannung zu zittern begann. Isabelle Didier schluckte verwirrt.
    „Möchten Sie noch etwas Wasser haben?“
    Sie glaubte bereits, er hätte sie nicht verstanden, als er nach einer halben Ewigkeit den Kopf hob. Verwundert schaute er das leere Glas an, das er nach wie vor in der Hand hielt. Mit einer hastigen Bewegung stellte er es auf den Boden.
    „Sie hatten in ihrer Jackentasche leere Tablettenschachteln von Immunsuppressiva. Sie sind transplantiert?“
    Alains Schultern zuckten unmerklich. Sein stetig abnehmender Vorrat an Medikamenten hatte ihm zunächst tatsächlich Kopfzerbrechen bereitet. Nachdem es ihm allerdings nicht schlechter ging als mit diesem Gift, hatte er sich nicht ernsthaft um Nachschub gekümmert. Für wen sollte es schon von Nutzen sein, wenn er sein Leben mit Tabletten zu verlängern versuchte? Gegen den übermächtigen Schmerz und die Leere in seinem Herz blieben sie ja doch ohne Wirkung.
    „Sie müssen Ihre Medikamente regelmäßig einnehmen, Monsieur. Ich werde Ihnen nachher Schreibzeug bringen, dann können Sie mir notieren, was Sie brauchen. Am besten wäre es natürlich, Sie nennen mir Ihren Namen und den Ihres Arztes, weil sich so die Tabletten am schnellsten beschaffen lassen. Bitte, Monsieur, Sie wissen, wie wichtig es ist, die Medikamente einzunehmen. Ich möchte Ihnen helfen.“
    Offensichtlich empfand es Alain nicht so. Er senkte mit einem leisen Seufzer die Augenlider und ließ erschöpft seinen Kopf auf die angewinkelten Knie sinken.
    Als er wieder aufwachte, zuckte er überrascht zusammen, weil Isabelle Didier plötzlich dicht vor ihm stand. „Geht es Ihnen besser?“
    Er glaubte nicht, dass sie es ihm sonderlich übel nehmen würde, wenn er log, also nickte er wortlos.
    „Wir möchten Ihnen einige Fragen stellen, Monsieur. Wären Sie dazu bereit?“
    Sein Kopf schoss nach oben. Den Blick voll Furcht auf die Tür gerichtet, kroch der Mann wieder in sich zusammen.
    „Wovor haben Sie Angst? Hier ist niemand, der Ihnen wehtun wird , das verspreche ich Ihnen. Sie sind wirklich sicher bei uns. Vertrauen Sie mir.“
     
    Die Frau machte einen übernächtigten Eindruck und schien sich an ihrer überdimensionalen Kaffeetasse festhalten zu müssen, um vor Müdigkeit nicht auf der Stelle in einen hundertjährigen Tiefschlaf zu sinken. Isabelle Didier hatte nicht nur den ganzen Tag mit nervenaufreibender Geduld versucht, den Neuzugang zum Sprechen zu bewegen, sondern die folgende Nacht im Polizeiarchiv über Büchern und Akten verbracht und nach Parallelen zwischen seinem merkwürdigen Verhalten und ähnlichen Fällen gesucht. Jetzt saß sie im Büro des Hauptkommissars und hoffte auf Informationen über den Neuzugang.
    „Zumindest wissen wir jetzt, mit wem wir es zu tun haben. Das ist doch für den Anfang recht Erfolg versprechend.“
    „Wenn du das sagst.“
    „Er ist kein unbeschriebenes Blatt. Seine Fingerabdrücke sind gespeichert.“
    „Sieh an“, bemerkte die Frau und der Hauptkommissar wusste nicht, ob sie ihn aufzog oder ehrlich überrascht war von dieser Neuigkeit.

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