Toedliche Luegen
Ehrgeiz, dies zu ändern, geweckt hatte.
Amüsiert hob er eine Braue und Beate bemerkte voll Erstaunen eine Spur von Wärme in seinen umwölkten Augen, eine winzige Flamme, die kurz aufloderte und sofort wieder erlosch.
„Ich kann mich nicht wehren und ich … ich kann dich weder aus dem Zimmer werfen, noch … übers Knie legen. Das ist nicht fair.“
Mühsam hatte er die Worte hervor gewürgt und keuchte vor Anstrengung. Dass sich diese Frau unverhohlen ins Fäustchen lachte und angesichts seiner Hilflosigkeit und Schwäche frohlockte, wollte er trotz – ja, was? Interesse? Sympathie oder gar Gefallen? – nicht klaglos hinnehmen. Er machte eine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, und horchte erschreckt auf das laute Klopfen seines Herzens. Was war mit einem Mal in ihn gefahren? Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht und sah vermutlich noch viel schlimmer aus, doch statt den Tag zu verschlafen oder wie bisher mit den zuckersüßen, dämlichen Schwestern zu flirten, hatte er sich bereits den ganzen Morgen auf Beates Kommen gefreut. Er musste den Verstand verloren haben!
„ Gar nicht fair.”
„ Fair? Was weißt du verwöhntes Jüngelchen denn schon davon? Und überhaupt: das Leben ist nie fair.”
„ Dann sei wenigstens nicht so hartherzig, meine missliche Lage schamlos auszunutzen. Wo bleibt … der mir gebührende Respekt angesichts meines Alters?“ Alains Stimme klang rau und kratzend und er hielt erschöpft inne.
Für einen Moment schloss er die Augen und Beate nutzte die Gelegenheit, sein männliches Gesicht eingehend zu studieren. Es gehörte sich einfach nicht , dermaßen gut auszusehen! Nicht allein seine Körpergröße und Schönheit erregten die Aufmerksamkeit der Menschen. Er strahlte ein so ungewöhnlich ausgeprägtes Selbstbewusstsein aus, eine so einzigartige, in sich ruhende Überlegenheit, dass die Leute gar nicht anders konnten, als ihn anzusehen und zu rätseln, wer oder was er wohl sein mochte. Nur Menschen, die sich ihrer eigenen Stärken zutiefst bewusst waren, wirkten derart beeindruckend wie er, woran nicht einmal sein schlechtes Befinden etwas ändern konnte.
Der Spruch eines klugen Köpfchens , Mehli vermutlich, kam ihr in den Sinn, wonach Schönheit ein Geschenk der Götter sei. Grundgütiger, es war ihr vollkommen schleierhaft, was dieser Mann getan haben mochte, dass er von denen da oben so offensichtlich begünstigt worden war.
„Vielleicht haben wir später keine Gelegenheit mehr für unsere einmal begonnene Schlammschlacht. Aus diesem Grund ist es beinahe ein moralischer Imperativ, die Chance zu nutzen. Es gibt doch nichts Befriedigenderes als einen Streit mit fliegenden Blumenvasen und geschärften Messern. Und heute passt es mir ausgezeichnet. Was für ein Tag!“ Beate rieb sich in diebischer Vorfreude die Hände. „Wie geschaffen, um einem snobistischen, selbstgefälligen, introvertierten und egozentrischen Onkel die Meinung zu geigen.“
„Steht es so schlecht um mich … oder willst du … Gott sei Dank, schon wieder die Segel streichen? Aufgeben?“
„Aufgeben? Ich?“, kreischte sie los. „Ha!“
Kürzer und prägnanter hätte eine Abfuhr vermutlich nicht sein können , dennoch fügte sie zum besseren Verständnis noch ein „Hahaha!“ an.
„Also wirklich! W ie kannst du so was von mir erwarten? Aufgeben. Aber, hallo! Ich doch nicht. Niemals! Außerdem kann ich mir in Streitfragen noch eine fette Scheibe von dir abschneiden. Und ich bin höchst gerne bereit dazuzulernen.“
„Oh.“ Alain biss die Zähne knirschend aufeinander und hoffte, Beate würde seinen angeschlagenen Zustand einfach ignorieren.
„Ist meine Anwesenheit für di ch denn wirklich sooo unerträglich?“ Sie dachte kurz nach, dann fügte sie ernst hinzu: „Wenn das der Fall wäre, sollte ich mich schon mal prophylaktisch bei dir entschuldigen, denn leider Gottes kann ich vorerst nicht nach Deutschland zurück.“
Sie beugte sich ein Stüc k näher zu Alain und legte ihm – in Erinnerung an ihre erste Begegnung noch immer auf einen gewissen Sicherheitsabstand achtend – ihren Zeigefinger auf die Lippen. „Du solltest jetzt ein lieber Junge sein und nicht so viel quasseln. Es strengt dich ziemlich an, was der um dein Wohl und Wehe überaus besorgte Doktor Ferrard mit Sicherheit nicht gern sieht.“
Und ich schon gar nicht, weil ich mir aus einem unerfindlichen Grund ernsthafte Sorgen um dich mache.
Er versuchte seine Hand zu heben, um abzuwinken. Allerdings war er
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