Tödliche Märchen
Der Raum selbst besaß eine sechseckige Form, bedingt durch den Erkervorbau, der nur aus Glas bestand.
Peter Austin ging in das Sekretariat. Su, die mit der Ablage beschäftigt war, hob den Kopf. »Alles klar mit der Kundin?« fragte sie.
»Ja.«
Da Peter lächelte und Su ihren Chef kannte, hakte sie weiter nach. »Da ist doch noch etwas, nicht?«
Austin setzte sich auf Sus Schreibtisch.
Sein Blick glitt wohlgefällig über die Gestalt der schlanken Person, die ein schickes, rotblau gemustertes Bürokostüm trug.
»Wollten Sie nicht noch Weihnachtsgeschenke einkaufen?« erkundigte er sich.
»Ja, das wird Zeit.«
»Dann gehen Sie jetzt.«
»Wieso? Ich habe…«
»Urlaub für heute. Machen Sie Schluß. Wir haben ein gutes Geschäft hinter uns. Der Kunde heute nachmittag ist nicht so wichtig, als daß Sie hätten dabeisein müssen. Es ist nur ein Vorgespräch, das wir zunächst führen.«
Sie stand auf, strich das blonde Haar zurück, lächelte und schüttelte den Kopf. »Da sagt man immer, daß Männer nie oder nur selten Überraschungen bieten können. Sie sind da wohl die große Ausnahme.«
»Scheint so.«
Su griff bereits nach ihrem Mantel. »Ich brauche wirklich heute nicht mehr hier zu erscheinen?«
Peter Austin half ihr in das Kleidungsstück. »Nein.«
»Dann bis morgen.«
»Okay.«
Su verschwand mit wehendem Mantel, und Peter ging wieder zurück in sein Büro. Die Tür zum Sekretariat ließ er offen. Bevor er sich hinter den Schreibtisch setzte, holte er aus einem mit Holz verkleideten Kühlschrank eine Flasche Champagner hervor. Diesen Schluck hatte er sich ehrlich verdient.
Es knallte, als der Korken aus der Öfnung schoß und auch weißer Schaum überquoll. Ein Glas stand schon bereit. Austin goß es schnell voll und trank den ersten Schluck ab. Die nächsten beiden leerten das Glas. Danach griff er zum Telefon, um einen Freund anzurufen, der ebenfalls in dem Geschäft tätig war, damals aber davor gewarnt hatte, sich mit alten Häusern zu beschäftigen, die man sowieso nicht los würde.
»Hi, Bert«, sagte Peter und legte seine Beine auf den Schreibtisch. »Wie ist die Lage?«
»Nicht schlecht.«
»Bei mir blendend.«
»Wieso?«
Er berichtete dem Kollegen, welcher Fischzug ihm gelungen war. Bert war sprachlos, dann gratulierte er, und es klang ehrlich.
»Ich hätte eigentlich Lust, mit dir eine Sause zu machen«, schlug Austin vor.
»Wann und wo?«
»Heute abend?«
»Das geht nicht. Höchstens morgen.«
»Einverstanden. Ich rufe dich aber noch an, damit wir über das Lokal reden können.«
»Klar, bis später.«
Peter hatte die Flasche in Griffweite stehen und das Glas ebenfalls. Er schenkte es erneut voll und nahm einen kräftigen Zug. Ein Geschäft wie das letzte bekam man nicht alle Tage. Dabei hatte er schon gedacht, daß er den Kasten nie loskriegen würde. Und gleich beim ersten Schlag, ohne auch groß mit dem Preis nach unten gehen zu müssen. Um zehn Prozent hätte er ihn immer gesenkt.
Sein Blick glitt durch das Büro. Es war gediegen eingerichtet, aber ein neues, modernes Interieur konnte nicht schaden. Die Schränke und Holzwände wirkten irgendwie verstaubt, leicht antiquiert. Austin beschäftigte sich schon seit längerem mit dem Gedanken der Renovierung. Nach diesem Geschäft rückte sie in greifbare Nähe. Er nahm die Beine vom Schreibtisch, wollte aufstehen und etwas nachschlagen, als ihn ein Luftzug traf. Er fächerte durch sein Gesicht, und Austin blieb starr sitzen.
Der Makler konnte sich nicht vorstellen, woher der Luftzug gekommen war. Er hatte die Fenster geschlossen und die Türen ebenfalls. Es gab nur eine Möglichkeit. Jemand hatte das Vorzimmer betreten. Austin stand auf. Erging nach links, so konnteer besser in sein Sekretariat schauen, es war nicht mehr nötig, denn der Kunde hatte es bereits durchquert.
Es war Mrs. Gardener!
Sie betrat das Büro und blieb auf der Hälfte der Distanz zwischen Tür und Schreibtisch stehen.
»Sie?« fragte Austin verduzt. Er rückte seine Brille zurecht, mehr eine Geste der Verlegenheit, weil er sich kaum vorstellen konnte, was diese Frau noch wollte. Es würde ihr zudem nicht mehr gelingen, den Kauf rückgängig zu machen.
»Ja, ich.«
»Und was kann ich für Sie tun, Mrs. Gardener? Stimmt etwas mit dem Verkauf nicht?«
»Damit ist alles in Ordnung.«
Austin hob die Schultern. »Sorry, aber ich weiß nicht, was ich dann noch für Sie tun kann?«
»Das ist auch nicht leicht zu erklären, wie ich ehrlich
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