Tödliche Märchen
ein Phantom verschwand sie auch nach der Tat…
***
Wir hatten uns durchgewühlt und endlich das Haus gefunden, in dem Peter Austin sein Büro besaß. Es war ein altes Gebäude unweit des Piccadilly. Anwälte, Ärzte, Makler und ähnliche Berufsgruppen hielten die einzelnen Etagen besetzt.
Ein Aufzug brachte uns in diezweite, wo sich vor uns ein großer Hur öffnete.
Schilder wiesen uns den richtigen Weg, so daß wir keine der Personen zu fragen brauchten, der wir auf dem Flur begegneten. Vor der Bürotür blieben wir stehen, klopften, aber es erklang keine Aufforderung, einzutreten. Ruth wollte schon die Tür öffnen, als ich sie zurückhielt, denn ich hatte etwas gehört.
»Da weint jemand«, flüsterte ich.
Die Kollegin schaute mich ungläubig an. Sie kam nicht mehr dazu, eine Frage zu stellen, weil ich sie zur Seite schob und die Türöffnete. Noch bewegte ich mich langsam, wurde aber sehr schnell, als ich den ersten Blick ins Zimmer warf.
Hinter einem Schreibtisch saß eine junge blonde Frau. Sie hatte den Kopf nach vorn gebeugt. Das Gesicht lag auf den verschränkten Armen. Die Schultern zuckten, weil sie so stark weinte. Sie trug noch ihren Wintermantel aus kariertem Stoff, und ich kümmerte mich nicht um sie, sondern lief auf die zweite Tür zu, die offenstand und mir den Weg in das Büro des Maklers freigab.
Er lag auf dem Teppich. Eine Blutlache hatte sich aus der Brustwunde gelöst und ausgebreitet. Das meiste allerdings war im Teppich versickert. Es gehörten keine großen Vorkenntnisse dazu, um festzustellen, daß der Mann nicht mehr lebte. Das mußte Peter Austin sein, wahrscheinlich war die junge Frau seine Sekretärin.
Als ich hochkam und mich umdrehte, stand Ruth Finley hinter mir. Ich deutete auf die Leiche. »Der Mörder ist uns zuvorgekommen.«
»Der Mörder?« fragte sie.
»Noch wissen wir nicht, ob Mrs. Gardener den Mann getötet hat.«
»Ich glaube fest daran!« erklärte sie mit rauher Stimme und schwankte leicht. Sicherlich dachte sie an ihren Sohn. Ich stützte sie ab, Ruth lehnte sich für einen Moment an mich und atmete tief durch. »Es… es geht schon wieder, danke.«
Ich kümmerte mich um die Frau im Vorzimmer. Sie hatte bemerkt, daß sie nicht mehr allein war, hob den Kopf, starrte uns aus verheulten Augen an und sah aus, als würde sie jeden Augenblick einen Schreikrampf bekommen.
Ich preßte ihr die Hand auf den Mund und flüsterte ihr ins Ohr, wer wir waren.
Allmählich entspannte sie sich, so daß ich es riskierte, ihr die Hand vom Mund zu nehmen.
Vielleicht hatte sie auch Ruths Anblick beruhigt. Die Kollegin kam ebenfalls zurück in das Vorzimmer. Ich suchte nach etwas Alkoholischem und fand auch eine Flasche Whisky sowie ein Glas. Das zu einem Drittel gefüllte Glas reichte ich ihr. »Bitte, trinken Sie.«
Sie trank den Whisky, ich schaute ihr dabei zu und sah, wie sie schluckte. Dabei liefen Tränen aus ihren Augen, die sie später abwischte. »Können wir reden?« fragte ich sie.
»Ja.«
Wir erfuhren, daß sie Susan Atkins hieß und seit einem Jahr bei Peter Austin arbeitete. Gesehen hatte sie nichts. Sie hatte an diesem Nachmittag eigentlich frei gehabt und war nur zufällig ins Büro zurückgekehrt, weil sie noch etwas vergessen hatte. Der Anblick der Leiche hatte sie dann schockartig getroffen. Zudem war sie noch nicht dazu gekommen, die Polizei zu alarmieren, was jetzt auch nicht mehr nötig war. Ich kam auf das Motiv zu sprechen. »Können Sie sich einen Grund vorstellen, Miß Atkins, weshalb man ihren Chef getötet hat?«
»Nein!« flüsterte sie, »das kann ich nicht.«
»Kennen Sie Mrs. Gardener?«
Sie schaute erst mich an, dann meine Kollegin. »Ja, die kenne ich. Wie kommen Sie darauf?«
»Hat sie bei Ihnen etwas gekauft?« Sie nickte.
»Ein altes Landhaus.«
»Wo?«
Sie stand auf. »Warten Sie, ich hole Ihnen die Unterlagen.«
Su mußte in das Zimmer des Toten. Sie vermied es dabei, einen Blick auf die Leiche zu werfen. Mit zitternden Fingern öffnete sie einen Aktenschrank, griff hinein, und ihre Hand zuckte sofort wieder zurück, während sie sich gleichzeitig umdrehte. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie, »die Unterlagen sind verschwunden.«
Ich runzelte die Stirn. »Können Sie dafür garantieren, daß sie in diesem Schrank standen?«
Sie nickte. »Ja, ich habe sie selbst abgeheftet und hineingestellt.«
»Und wenn Ihr Chef sie gebraucht hat?«
Susan Atkins wand sich unter einem fröstelnden Schauer. »Dann müßten sie hier
Weitere Kostenlose Bücher