Tödliche Märchen
du das nicht gesagt?«
»Ja…«
»Dann wirst du es können.«
»Aber nicht so.«
Die Gardener lachte. »Was heißt das? Alles im Leben hat seinen Preis. Oder hast du im Ernst geglaubt, daß du nur zu rufen brauchst, damit sich deine verstorbene Tante meldet? Nein, so einfach ist das nicht. Wer etwas verlangt, muß auch bereit sein, gewisse Dinge zu geben. Diese Gesetze bestehen überall.« Dann wandte sie sich an die beiden Jungen.
»Und ihr, Tiggy und Ernie? Eure Großeltern sind verstorben. Ihr habt euch mit ihnen immer gut verstanden. Wie wäre es denn, wenn ihr sie einmal rufen würdet?«
»Aber nicht so«, sagte Ernie.
»Anders geht es nicht.«
Ernie nahm seinen Mut zusammen. »Dann will ich überhaupt nicht. Und die anderen auch nicht, glaube ich.«
Die drei nickten. Jason ebenfalls, den die Gardener scharf fixierte. Sie lehnte sich zurück. Als sie mit dem Rücken die Lehne berührte, begann der Sessel wieder zu schaukeln. Er schwang auch noch, als sie die nächsten Worte sprach. »Nein, meine kleinen Freunde, so einfach ist das nicht. Ihr habt euch einmal entschlossen, zu mir zu kommen. Und wer sich in diesem Haus befindet, muß sich fügen. Das ist nun mal so, daran führt kein Weg vorbei. Ihr könnt nicht mehr zurück. Ihr gehört jetzt zu mir.«
»Wir haben ja nicht gedacht, daß es so laufen würde!« sagte Tiggy hastig.
»Wirklich?« höhnte die Frau. »Habt ihr euch nicht gemeinsam die Kassette angesehen? Da hättet ihr doch wissen müssen, was auf euch zukommt. Keine Ausreden jetzt. Ich habe euch dem Teufel versprochen, und ich werde alles dransetzen, um dieses Versprechen zu halten. Das wollte ich euch noch sagen.«
Die Kinder schwiegen. Sie dachten wahrscheinlich alle das gleiche. Wären sie nur nicht mitgekommen, und sie spürten instinktiv, daß ihnen die alte Frau überlegen war.
»Bevor es euch gelingt, mit den lieben Toten in Kontakt zu treten, werdet ihr dem Teufel das Versprechen geben, ihm immerzu dienen. Danach werdet ihr diesen Pakt mit eurem Blut besiegeln. Erst dann werden euch die Toten aus dem Reich der Geister rufen können.«
Harte Worte, die den Kindern unter die Haut gingen. Sie hatten schreckliche Angst. Ihre Blicke glitten auch zur Tür, aber die Märchentante zerstörte ihre Hoffnungen.
»Es tut mir leid für euch«, erklärte sie mit zynisch klingenden Worten.
»Dort ist wieder abgeschlossen. Möchtest du es kontrollieren, Nicole?«
»Nein, nein.«
»Du glaubst mir also. Das ist gut. Der Glaube an den Teufel wird euch viel helfen.« Sie blickte wieder auf das aufgeschlagene Buch. »Wißt ihr eigentlich, wie die Märchen enden, die ich hier vor mir habe? Das kann ich euch sagen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann morden sie noch heute. Ja, so spricht der Satan. Wer in seinen Diensten steht, kann nicht sterben, der hat das schwarzmagische Leben. Ich biete es euch an, ihr aber lehnt ab. Das hat der Teufel nicht verdient, meine Freunde. Und weil ihr euch so gegen ihn stellt, habt ihr auch die Folgen zu tragen. Wißt ihr, was das bedeutet?«
»Nein!« flüsterte Jason.
Da lachte Grandma Gardener schrill und häßlich auf. Sie hob auch ihre Arme an, ließ sie wieder fallen und beugte sich vor. »Ihr werdet trotzdem sterben. Dieses Haus hier könnt ihr nur lebend verlassen, wenn ihr wieder an den Satan denkt und euch ihm zuwendet. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
Die Kinder nickten. Sie wußten nicht mehr, was sie sagen sollten. Tiggys Mundwinkel zuckten. Er sah so aus, als wollte er jeden Augenblick anfangen zu weinen. Unruhig schob er seine Handflächen auf dem Teppich hin und her.
»Ich gebe euch einige Minuten Zeit, damit ihr es euch in Ruhe überlegen könnt. Denkt dabei an die Folgen und auch an die Kassette, die ihr gesehen habt. Da wart ihr mit allem einverstanden, und so soll es auch bleiben.«
Grandma Gardener war zufrieden. Das zeigte sie, indem sie sich wieder zurücklehnte und die Beine ausstreckte. Der Stuhl begann zu schaukeln. Ein leises Knarren war zu hören, es wiederholte sich ständig und wirkte so, als hätte jemand ein Metronom eingeschaltet.
Die Unzertrennlichen waren auf negative Art und Weise beeinflußt. Man hatte ihnen erklärt, daß sie sich absprechen sollten, aber sie trauten sich nicht, in Anwesenheit dieser Frau zu reden.
Das merkte die Gardener, und sie gab ihnen eine Chance. Sie erhob sich, um den Schaukelsessel zu verlassen. Erstaunt und gleichzeitig ängstlich blickten die Kinder sie an, die Frau aber
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