Tödliche Märchen
kennst es ja fast schon.«
Jason Finley schluckte zweimal, bevor er sich zu einer Erwiderung aufraffte. »Nein, ich will mit dem Satan ebenfalls nichts zu tun haben. Nein, das will ich nicht.«
»Denk an deinen Vater. Du hast sehr an ihm gehangen, das weiß ich. Wenn du auf der Seite des Teufels stehst, kannst du mit ihm sprechen. Er wird dir erzählen können, wie es ihm geht. Du weißt dann, wie es im Jenseits aussieht, mein Freund…«
»Neeinnnn!« brüllte er und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich will es nicht. Ich will auch meinen Vater nicht sprechen. Er ist tot! Er soll tot bleiben! Ich kann nicht anders! Ich glaube an Gott und nicht an den verdammten Teufel!«
»Hör auf!« rief die Gestalt und drückte sich aus dem Sessel, um sich sofort danach wieder hineinfallen zu lassen. Wahrscheinlich hatte ihr das Wort Gott nicht gefallen. Sie sprach Tiggy als nächsten an und senkte ihre Stimme, wobei sie einen hinterhältig freundlichen Tonfall bekam.
»Mein Junge, was ist mit dir?«
Tiggy starrte auf den häßlichen Skelettschädel. Das Licht der Lampe überstrahlte ihn und gab ihm zusätzlich noch einen leicht gelblichen Schimmer mit.
»Nun?«
»Nein!«
Grandma Gardener zuckte zusammen. Wahrscheinlich hatte sie mit dieser so direkten Antwort nicht gerechnet. Ihre Fäuste öffneten und schlossen sich wieder.
Blieb noch einer.
Ernie Grey. Er war das schwache Glied in der Viererkette. Das schien auch die verwandelte Märchentante zu wissen. »Ernie!« flüsterte sie wieder falsch-freundlich. »Ich sehe dir an, daß du nachdenkst und auch zweifelst. Auch wenn deine Freunde sich anders entschieden haben, dein wahres Glück kannst du nur finden, wenn du mir auf dem Weg folgst, den der Teufel vorgezeichnet hat und den ich schon lange Zeit gegangen bin. Du kannst mit den Toten sprechen. Ich brauche nur noch deine Zustimmung. Wenn du mir folgst, wird dein Leben in Bahnen verlaufen, von denen du heute nur träumen kannst. Geld, Reichtum, Macht — alles wirst du bekommen, denn der Teufel zeigt sich oft großzügig.«
Ernie dachte nach. Er bewegte sich dabei, ohne allerdings von der Stelle zu gehen. Er schob die Schultern vor, dann wieder zurück und scharrte nervös mit dem Fuß.
Noch stand er auf der Kippe.
»Lange warte ich nicht mehr!« flüsterte Grandma Gardener. »Auch meine Geduld hat irgendwann ein Ende. Das solltest du wissen.«
Jason Finley stand im schrägen Winkel zu Ernie. Er konnte das schweißüberströmte Gesicht im Profil sehen und bekam auch mit, wie Ernie den Mund zu einer Antwort öffnete.
Ob ja oder nein, wußte er nicht, aber er wollte Ernie die Entscheidung erleichtern.
Rasch und wuchtig rammte er seine Faust vor. Ernie bekam sie in die Seite und zuckte zusammen. Er drehte sich um. Jason starrte ihn an. Seine Augen schienen zu brennen, und Ernie las darin die Antwort, die auch er geben sollte.
»Komm zu dir!« zischte Jason.
»Wie hast du dich entschieden?« Die Frage grollte ihnen dumpf entgegen.
»Nein, nein!« sagte Ernie Grey. »Nein, ich bleibe bei meinen Freunden. Ich gehe nicht zum Teufel!« Er preßte seine Hände gegen die Ohren und senkte den Kopf.
Alle vier hatten ihre Antworten gegeben und warteten auf eine Reaktion der teuflischen Märchenoma.
Die ließ auf sich warten. Zunächst einmal lehnte sich Grandma Gardener zurück, schaukelte einige Male, so daß die Bewegung schon fast entspannend wirkte.
Plötzlich aber stoppte sie den Sessel. Dabei beugte sie ihren Körper vor und auch den häßlichen Schädel, in dem sich der Mund öffnete, als sie anfing zu sprechen.
»Es ist gut, ich habe eure Antwort gehört. Ich habe sie genau verstanden, der Teufel bestimmt auch, denn er befindet sich unter uns, obwohl ihr ihn nicht seht.« Der lippenloes Knochenmund verzog sich zu einem Grinsen. »Satan ist konsequent. Er hat mich geschickt und mir eine besondere Kraft verliehen. Ich stamme aus dem Buch, ich bin eine Gestalt aus dem Märchen, aber ich lebe, eingehaucht und versehen mit dem heißen Odem der Hölle. Auch ich bin konsequent, denn diese Konsequenz hat mich der Satan gelehrt. Wer einmal eine Antwort gegeben hat, der darf sie nicht mehr revidieren. Auch wenn ihr wolltet, es geht nicht mehr. Ihr habt euch gegen ihn entschieden, aber ihr tatet es an einem Ort, an dem er zu Hause ist, wo er durch mich das Sagen hat. Und ich muß so handeln, wie er es auch getan hätte. Das heißt, ich werde euch töten!«
Sie ließ die Worte wirken, lächelte wieder so diabolisch und
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