Tödliche Mitgift
dass ihr Name im Zusammenhang mit dem Mordfall in Perugia auf höchst unangenehme Art und Weise in einem Zeitungsartikel erwähnt worden ist.«
»Davon weiß ich nichts. Ich habe jedenfalls nicht mit der Presse gesprochen.«
»Sicher?«
»Ja.«
»Wer könnte sonst noch Informationen weitergegeben haben?«
»Jeder, der davon gehört hat, dass Annegret Dreyling ermordet wurde, und dann eins und eins zusammengezählt hat. Auf diesem Gebiet sind die Presseleute doch Spezialisten.«
»Können Sie das den Dreylings selbst plausibel machen?«, fragte Gabler genervt.
»Ja, natürlich. Ich werde mich bei ihnen melden. Wer genau hat sich denn beschwert?«
»John Dreyling hat angerufen. Mir wäre es mehr als recht,wenn Sie noch heute einen Termin vereinbaren würden. Je länger so etwas gärt …«
Pia überlegte. Irgendwie war es diesem John Dreyling gelungen, den richtigen Knopf zu drücken. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein bloßer Anruf bei Horst-Egon Gabler, der mehr als gute Nerven besaß, den Leiter des Kl zur Eile antreiben würde. Andererseits hatte sie keine Lust zu springen, nur weil dieser John Dreyling es so wollte. Außerdem hatte Pia geplant, den Abend mit Hinnerk zu verbringen …
»Okay, ich werde Herrn Dreyling heute noch anrufen«, sagte sie. Sie hoffte, dass ein Telefonat die Sache bereinigen würde, doch da hatte sie sich getäuscht. Kurz darauf wählte Pia Hinnerks Nummer, um ihm mitzuteilen, dass es deutlich später werden würde als geplant. Die Missverständnisse und Vorwürfe über die Presseberichte ließen sich mit einem kurzen Besuch bei den Dreylings wohl besser klären als am Telefon.
»Wir waren doch eigentlich heute Abend gegen sieben mit deinem Bruder Tom und seiner Frau Marlene auf ein Glas Wein bei ihnen zu Hause verabredet …«, sagte Hinnerk und schaffte es in beneidenswerter Weise, jeglichen Vorwurf aus seiner Stimme herauszuhalten.
»Wegen des Babys, ja! Mist, hab ich total vergessen!«, entfahr es Pia. Sie hatten den Termin vereinbart, um unter anderem mal wieder Familiensinn zu beweisen und einen Blick auf Pias kleinen Neffen zu werfen, der inzwischen ein halbes Jahr alt war und den sie erst ein einziges Mal zu Gesicht bekommen hatte.
»Der Kleine kann nichts dafür«, sagte Hinnerk, »wir müssen den Besuch halt verschieben. Das kommt mir gar nicht so ungelegen. Ich habe auch noch einiges zu tun. Soll ich deinen Bruder anrufen und es ihm erklären, oder machst du es selbst?«
Pia seufzte. »Ich rufe ihn an. Ich habe es schließlich verbockt.
Der dienstliche Termin hat sich eben erst ergeben. Ich muss etwas klären, und das möglichst, bevor ich vielleicht nach Italien reise …«
»Was, du verreist?«
»Nur für ein paar Tage. Es hat mit dem Fall zu tun, an dem ich gerade arbeite. Alles Weitere nachher, okay?«
»Wann ist bei dir ›nachher‹?«
Pia sah auf ihre Armbanduhr. »Gegen neun Uhr bei dir?«
Beim Betreten des Wohnzimmers der Dreylings in ihrem Haus – Pia weigerte sich insgeheim, es Anwesen zu nennen, obwohl sich der Begriff hier schon fast aufdrängte –, bestätigte sich ihre Vorahnung, dass man es ihr nicht leicht zu machen gedachte. Gabler hatte sich im Nachhinein noch angeboten mitzufahren – er hatte sich ihr geradezu aufgedrängt –, doch sie hatte darauf bestanden, die Angelegenheit allein zu klären. Pia war sich keiner Schuld bewusst und hatte auch nicht vor, sich von dem Namen Dreyling, dem Haus direkt an der Wakenitz, der Garage für drei Autos und dem parkähnlichen Grundstück rundherum beeindrucken zu lassen.
John Wilhelm Dreyling legte eine Zeitung beiseite und erhob sich geschmeidig aus seinem Sessel, als Pia hereinkam. Regina Dreyling, die mit einer anderen Frau auf einem der u-förmig angeordneten Sofas saß, unterbrach ihre Unterhaltung und musterte die Kommissarin. Ihr Blick wanderte langsam an Pias Gestalt herunter und erinnerte sie daran, dass ihre Kleidung heute eher sportlich und ihre Schuhe bestimmt staubig waren. Schließlich war sie den ganzen Tag darin herumgelaufen und hatte sich nicht, wie es in diesem Hause vielleicht üblich war, zum Abendessen noch einmal umgezogen. Sie hatte übrigens auch noch nicht zu Abend gegessen.
Die andere Frau auf dem Sofa war etwas jünger als Regina Dreyling. Sie trug einen akkurat geschnittenen Pagenkopf – weiblich und doch professionell –, dazu einen dunkelblauen Hosenanzug mit feinen Nadelstreifen und glänzende dunkelblaue Pumps. Sie wurde Pia als Charlotte Behring von
Weitere Kostenlose Bücher